gefaltet, entfaltet
Strategien der Subjektwerdung in Friederike Mayröckers Prosa 1988-1998
Inge Arteel
Bei den hier präsentierten Analysen von jüngerer Prosa Friederike Mayröckers bildet die Verunsicherung hinsichtlich der Beschaffenheit des textuellen Ich-Subjekts den Ausgangspunkt: Einerseits nimmt das schreibende Ich bei Mayröcker keine identifizierbare Gestalt an und scheint es sich in einen chaotischen Schreibprozess zu verlieren. Wäre hier von dem ‚Verschwinden‘ des Subjekts oder von einem ‚schwachen‘, da nicht begründbaren Subjekt die Rede? Andererseits aber spricht Mayröckers Text-Ich mit einer starken, charakteristischen Stimme. Kann also auch von einem ‚starken‘ Subjekt die Rede sein? Aus dieser wirkungsästhetischen Verunsicherung erheben sich die Fragen nach bestimmten produktionsästhetischen Merkmalen des Textes: Wie gestaltet sich die Spannung zwischen den beiden dynamischen Gegensätzen des schwachen versus starken Subjekts? Kann von einer Lösung der Spannung gesprochen werden, oder entwirft der Text vielmehr einen Subjektbegriff jenseits von schwach und stark? Mit welcher theoretischen Figuration ließe sich dieser am besten fassen? An Hand von Konzepten aus der Autobiografie- und Subjekttheorie und inspiriert von Gilles Deleuzes Gedanken über den organlosen Körper und das affektvolle Werden des Subjekts erörtert Inge Arteel Mayröckers Schreiben als eine sich faltende und entfaltende Dynamik, aus der das Subjekt als ein sich in Falten gestaltendes Kraftbündel hervorgeht.