Gerichtsrede.
Wirklichkeit und Möglichkeit im forensischen Diskurs.
Thomas-M. Seibert
Ort und Aufgabe des Redens vor Gericht sind heutzutage unbestimmt. Der Rede stehen viele Möglichkeiten offen – im Saal wie auf dem Gang -, aber viel davon erscheint seltsam unwirklich. Der wirkliche Diskurs findet vor dem Plädoyer statt, und was wichtig wird, ist entschieden, bevor jemand plädiert. Man muss die Rede im Kontext des Verfahrens verstehen, damit man weiß, um welche Einsätze es im Prozess überhaupt geht.
Der Autor war und ist Tatrichter und beobachtet sich selbst und andere. Seine Beobachtungen zerlegen die Rede in ihre Bestandteile. Die insgesamt 70 Kontext-Beispiele, die im Mittelpunkt der Arbeit stehen, stammen aus der gerichtlichen Arbeit und behandeln Verfahrensverläufe, Dialoge und Sentenzen so, wie man sie nach Abschluss der praktischen Situation niederschreiben konnte. Vor allem interessiert der Eigensinn der juristischen Mündlichkeit: Was setzt die Rede aufs Spiel, welche Motive treiben die Beteiligten, welchen Einsatz wagen sie und welchen Zwängen unterliegen sie? Daran schließen sich Stilfragen an: nach dem Sinn des Regelverstoßes, nach Inhaltskreationen und schließlich nach den künftigen Formen der Gerichtsrhetorik.