Geschlechtsmoral und Gleichgeschlechtlichkeit im Zoroastrismus
Götz König
Innerhalb der für den gesamten Zoroastrismus konstitutiven Polarität von Ordnung/Wahrheit und Trug besetzt die Sexualität eine durchaus labile Position. Genötigt, mit der ethischen Reformulierung jener ursprünglich kosmologisch-ritualistischen Begriffe eine Sexualmoral auszubilden, scheint die Sexualität unter deren Ansprüchen die Vielzahl ihrer Aspekte dem dualistischen Schema nicht länger bruchlos einschreiben zu können: In seiner mitteliranischen Epoche tendiert der Zoroastrismus zu einer (von seinem System ungedeckten) Misogynie und Lustfeindschaft. In Hinsicht auf die moralischen Verwerfungen sexueller Verhaltensweisen stellt sich schließlich die Frage, inwieweit diese nicht nur ältere Begründungsmuster maskieren.
Götz Königs Studie zu Geschlechtsmoral und Gleichgeschlechtlichkeit im Zoroastrismus gliedert sich in zwei Teile. Der erste Abschnitt behandelt die zoroastrische Sexualmoral, der zweite deren Verwerfung gleichgeschlechtlichen Verkehrs. Beide Teile gehen chronologisch vor und konfrontieren die awestischen mit den mittel- und neupersischen Texten der Zoroastrier. Dabei nimmt die Edition der Kapitel 71 bis 76 des mittelpersischen Traktates Dadestan i denig – das wichtigste Dokument zum sogenannten kunmarz – eine zentrale Position ein.