Gesetzgebung und Rechtspolitik.
Internationales Symposium der Estnischen Juristischen Fakultät in Tartu. SONDERHEFT ESTLAND. Zeitschrift Rechtstheorie, 31. Band (2000), Heft 3-4 (S. 303–551).
Werner Krawietz, Raul Narits
Unter den drei baltischen Staaten hat sich die Republik Estland wohl am zielstrebigsten den vielfältigen Problemen eines strukturellen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wandels in der modernen Wissens- und Kommunikationsgesellschaft gestellt. Daß dabei das Recht als eine normative Struktur der Gesellschaft, aber auch als Medium und Mittel tiefgreifender Reformen eine maßgebende und bestimmende Rolle spielte und auch weiterhin innehat, wird nur denjenigen wundern, der – fälschlicherweise – geneigt ist, den genuin normativen Funktionsprimat zu ignorieren, der dem Recht beim Aufbau und bei der Schaffung moderner sozialer Gemeinschafts- und Systembildungen zukommt. Die Rechtswissenschaft in Estland, so wie sie an der Rechtsfakultät in Tartu gepflegt wird, hat sich seit den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in ihren analytischen wie in ihren rechtspolitischen Bemühungen verstärkt nicht nur mit dem bereits geltenden Recht, sondern vor allem mit den notwendigen grundlegenden Rechtsreformen befaßt. Im Zentrum standen und stehen dabei, wie aus dem hier vorliegenden Band ersichtlich wird, nachhaltige Bestrebungen, große Bereiche des geltenden Rechts nicht bloß zu reformieren, sondern soweit wie irgend möglich zu kodifizieren. Diese Entwicklung ist gegenwärtig in vollem Gange. Dies geschieht auch und zugleich im Hinblick auf das Erfordernis, den Zugang zur Europäischen Union zu erleichtern und das estnische Rechtssystem – mit Blick auf die Entwicklung des nationalen und des europäischen Rechts! – hinreichend reagibel und responsiv zu halten. Aber nicht nur Challenge, sondern auch Response wollen rechtzeitig und hinreichend bedacht, reflektiert und dann ins Werk gesetzt werden. Eben dies ist der estnischen Rechtswissenschaft allem Anschein nach hervorragend gelungen.
Auf Einladung der Estnischen Rechtsfakultät in Tartu fand vom 28.-30. September 2000 ein von ihr und der Estnischen Landessektion der IVR organisiertes und veranstaletes Symposium „Gesetzgebung und Rechtspolitik“ statt. Die Referate dieser Tagung werden, zum Teil in überarbeiteter Fassung, mit diesem Band als SONDERHEFT ESTLAND vorgelegt.
Aus dem Editorial