Glossematikstudien
Unzeitgemässe Betrachtungen zu Louis Hjelmslevs Sprachtheorie
Bohumil Vykypel
Die glossematische Sprachtheorie zählt zu den Richtungen des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus, über die sehr heftig polemisiert und geschrieben wurde. Diese Polemiken wurden jedoch vor allem zu Lebzeiten ihres Begründers, des dänischen Linguisten Louis Hjelmslev (1899-1965), geführt, und eine gewisse Wiederbelebung des Interesses für die Glossematik ließ sich erst Ende der 80er Jahre beobachten. Nach der vorherrschenden Meinung ist die Glossematik mehr für die allgemeine Semiotik von Bedeutung als für die Linguistik. Bevor man einen solchen Schluss zieht, ist indessen unbedingt anzumerken, dass Hjelmslevs Sprachtheorie ein Fragment darstellt und nicht in allen ihren Aspekten zu Ende geführt wurde. Zunächst ist es ihre operative Seite, d.h. die Frage, wie aufgrund der allgemeinen Theorie die Beschreibung von einzelnen Sprachen zu gestalten ist. Mit dieser allgemeinen Fragestellung hängt ein weiterer Themenbereich eng zusammen, und zwar die Beziehungen zwischen Glossematik und Prager Schule des sprachwissenschaftlichen Strukturalismus, d.h. die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem formalen glossematischen und dem phänomenologischen Prager Strukturalismus. Diese zwei Konzeptionen können eben bei der einzelsprachlichen Beschreibung einander ergänzen. Schließlich werden einige allgemeine Fragen der glossematischen Sprachtheorie (ihr formaler und empirischer Charakter) am Beispiel der glossematischen Noetik der historisch- vergleichenden Sprachwissenschaft gezeigt. Bohumil Vykypel (*1973) studierte Bohemistik, Geschichte, Indogermanistik und Allgemeine Sprachwissenschaft in Brünn und Bonn (Promotion 2001). Er ist Mitarbeiter am Institut für tschechische Sprache der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik und Lehrbeauftragter am Institut für Sprachwissenschaft der Masaryk- Universität Brünn.