Goldene Aktien aus EG-rechtlicher Sicht
Eine Untersuchung staatlicher und privater Sonderrechte in Wirtschaftsgesellschaften unter besonderer Berücksichtigung der Kapitalverkehrsfreiheit
Michael Piesskalla
Nach der Grundkonzeption des Gesellschaftsrechts richtet sich der Umfang der Mitsprache der Gesellschafter in Unternehmen nach der Zahl der gehaltenen Anteile bzw. der Höhe des übernommenen wirtschaftlichen Risikos. Dies gilt in besonderem Maße für das Kapitalgesellschaftsrecht. Nach dieser Logik muss auch die Privatisierung von Staatsunternehmen dazu führen, dass der Fiskus einen Teil der von ihm gehaltenen Macht auf die neuen Privateigentümer überträgt. Aus der wirtschafts- und lenkungspolitischen Sicht des Staates ist diese Folge jedoch nur teilweise erwünscht. Die Öffentliche Hand versucht daher seit Jahrzehnten, den durch die Veräußerung staatlicher Unternehmensbeteiligungen drohenden Machtverlust abzumildern, indem sie sich mannigfaltige Sonderrechte (sogenannte „Goldene Aktien“) für die Zeit nach der Privatisierung gewährt. Der teilweise nur noch über eine marginale Beteiligung verfügende Fiskus behält sich z.B. das Recht vor, die Zusammensetzung der Anteilseigner oder grundlegende Entscheidungen der Unternehmensleitung mitzubestimmen. Der Europäische Gerichtshof hat in mehreren Urteilen der Jahre 2002 und 2003 dokumentiert, dass er dieser Praxis äußerst kritisch gegenübersteht. Die geschilderten Sonderrechte des Staates sind nach seiner Auffassung geeignet, den ungehinderten Anteilserwerb zu beschränken und wirken dadurch sowohl kapitalverkehrs- als auch niederlassungsbeschränkend. Diese Arbeit beleuchtet zunächst die Frage, was in juristischer Hinsicht hinter dem Schlagwort „Goldene Aktie“ steht. Sodann wird – ausgehend von der Rechtsprechung des Gerichtshofes – die Vereinbarkeit staatlicher „Goldener Aktien“ und vergleichbarer Instrumente (z.B. Höchst- und Mehrstimmrechte) mit EG-Recht geprüft. Dabei bilden die Grundfreiheiten des EG-Vertrags (insbesondere das Kapitel über den freien Kapitalverkehr) den Schwerpunkt. Einer gemeinschaftsrechtlichen Prüfung werden auch das deutsche Volkswagen-Gesetz und eine Reihe weiterer staatlicher Sonderrechtsbestimmungen in anderen EG-Mitgliedstaaten (Dänemark, Italien, Niederlande, Ungarn) unterzogen. Ferner behandelt das Buch die bislang vom EuGH nicht aufgeworfene Frage, ob auch private Sonderrechte Verstöße gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit begründen können. Abschließend beleuchtet der Autor das Verhältnis der „Goldene Aktien“-Problematik zum Übernahme- und Beihilferecht.