Kantoren, Künstler, Kontinente – Jüdische Schicksale –
Die Familie von Harry Frommermann, Gründer der „Comedian Harmonists“
Jan Grübler
Gefeierter Musiker auf den Bühnen der Welt, Dolmetscher bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, Kontrolloffizier beim RIAS Berlin, Makler in Zürich, künstlerischer Beirat beim Radio Audizioni Italiane, Handelsvertreter in Lausanne, Fabrikarbeiter in New York, Taxifahrer, Buchhalter. Das Leben des „Comedian Harmonists“-Gründers Harry Frommermann hatte viele ungewöhnliche Facetten und ungewollte Zäsuren und war stets vom Schicksal getrieben. Gleichwohl ist es exemplarisch für die Zerrissenheit zahlreicher jüdischer Lebensgeschichten in einer Zeit von Ausgrenzung, Vertreibung und Vernichtung. Dies zeigt sich auch in der bislang weitgehend unbekannten Geschichte der eigenen Familie des Musikers, die in diesem Buch detailgetreu nachgezeichnet wird.
Als Sohn eines namhaften und einflussreichen Kantors musikalisch vorgeprägt, fiel der künstlerische Genius des jungen Frommermann in der pulsierenden Kulturmetropole Berlin in den „Goldenen Zwanzigern“ rasch auf fruchtbaren Boden. Schon früh wurde er von Künstlerlegenden wie Arthur Nikisch und Erwin Piscator beeinflusst. In Berlin-Friedenau gründete er die Comedian Harmonists, die einen kometenhaften Aufstieg erlebten und weltweit stilprägend wurden. Der Nationalsozialismus erzwang ein jähes und frühes Ende des Erfolgs. Der Antisemitismus wurde zur Staatsdoktrin und trieb zahllose jüdische Bürger ins Exil.
Die Realisierung seiner musikalischen Visionen blieb Harry Frommermann daher weitgehend verwehrt und dennoch hat er sie nie aus den Augen verloren. Nach all seinen Schicksalsschlägen und beruflichen Niederlagen kehrte er 1962 nach Deutschland zurück. Zurückgezogen wohnte er bei einer Bekannten in Bremen. „Aber mißtrauisch ist er immer geblieben. [.] Darum hatte er auch unter seinem Bett immer einen gepackten Koffer liegen, 14 Jahre lang, damit er jederzeit wegkonnte von hier.“
Die nun vorliegende Familiengeschichte der Frommermanns dokumentiert mit z.T. bislang unveröffentlichtem Bildmaterial ein schmerzvolles Kapitel jüdischer und Berliner Kultur- und Stadtgeschichte.