Körper der Passionen
Die lebensgroße Liegefigur des toten Christus vom Mittelalter bis zum spanischen Yacente des Frühbarock
Agathe Schmiddunser
Ausgestellt wie Ganzkörper-Reliquien im gläsernen Totenschrein, gezeichnet von blutenden Wundmalen und unerträglicher Pein, wurden die Yacentes, die hier im Mittelpunkt stehen, zum politischen Zeichen einer Konfessionalisierung ganz Spaniens. An der Schnittstelle von Leben und Tod reflektieren sie die Frage nach Körperlichkeit. Ihre höchst verfeinerte polychrome Fassung ließ diese Skulpturen zu figürlicher Malerei werden. Als lebensgroße Andachtsbilder dienen sie nicht nur einer besonders objektbezogenen, privaten Andacht innerhalb der mystischen Strömung Therese von Avilas, sondern fokussieren die Passion während der aufwendig inszenierten Karfreitagsprozessionen auf eine plastische, liegende Ikone. Eine ähnliche kunstfertige, irdische Anverwandlung Gottes kennt keine der anderen Weltreligionen.
Erstmalig wird eine umfassende Hermeneutik der dreidimensionalen Liegefigur Christi unternommen, wobei repräsentative Beispiele aus Deutschland, Frankreich, Italien und besonders Spanien gewählt wurden, um sowohl Genese, Funktions- und vor allem Bedeutungsgeschichte dieses religiösen Kernthemas darzustellen. Die Abbildungen erschließen der Kunstgeschichte teilweise vollkommen neue Beispiele, da sich einige der Yacentes bis heute in der Klausur von Nonnenkonventen befinden.