Kommunikation, Macht, Bildung
Frauen im Kulturprozess der Frühen Neuzeit
Sabine Koloch
Die Kommunikationsthematik wird hier erstmals auf einer ungewöhnlich breiten Quellengrundlage über einen Zeitraum von drei Jahrhunderten erforscht und frauenfokussiert entfaltet. Das Quellenkorpus ist geprägt von Texten der sogenannten verhaltensmodellierenden Gebrauchsliteratur. Die im Zentrum der thesenreichen Studie stehenden sprachlich geschulten, belesenen und strategisch denkenden Frauen agieren als Subjekte und Objekte in frühneuzeitlichen Kommunikationsabläufen. Indem die Handlungskompetenz von Frauen bewiesen wird, führt die Untersuchung über bisherige Forschungen weit hinaus, welche verhaltensmodellierender Gebrauchsliteratur lediglich unter dem Blickwinkel der „Zivilisierung des weiblichen Ich“ Aussagekraft und Wirkungspotential zusprechen. Sabine Koloch fragt nach wissensrelevanten Institutionen und Personen, nach dem auf Zielgruppen bezogenen Nutzen sowie nach Distributionsformen von Wissen. Sie ordnet mit Namen bekannte Frauen sozialen Gruppen zu, die einen Bezug zum Problem der Wissenstradierung, der Verhaltensmodellierung oder der Diffusion von Verhaltensmodellen hatten. Damit beschreitet die Autorin einen Mittelweg zwischen Biographistik und Gesellschaftsanalyse. Zu den historisch erschlossenen weiblichen Gruppen zählen Anstandsautorinnen, Auftragsautorinnen, Kinderautorinnen, Herausgeberinnen, Übersetzerinnen, Adressatinnen von Widmungstexten, Erzieherinnen, Privatlehrerinnen, Mitglieder von Sozietäten und Amtsträgerinnen. Die aus den Quelleninterpretationen gewonnenen theoretischen und methodologischen Erkenntnisse regen die Forschung zu einer themenspezifisch neuen Ausrichtung wie auch insbesondere dazu an, das Verhältnis von formeller und informeller Macht kritisch zu überdenken.