Machtsprüche
Das herrscherliche Gestaltungsrecht »ex plenitudine potestatis« in der Frühen Neuzeit
Holger Erwin
Machtsprüche – d. h. fürstliche Entscheidungen aus herrscherlicher Machtvollkommenheit (plenitudo potestatis), mit denen im Einzelfalle anerkanntes Recht außer Kraft gesetzt wurde – werden in der Rechtshistorie wenig beachtet und zumeist anekdotisch zur Illustration absolutistischer Herrschaft referiert. Demgegenüber arbeitet die Studie heraus, dass Machtsprüche weit davon entfernt waren, bloß faktischer Ausfluss fürstlicher Willkürherrschaft zu sein. Vielmehr stellten sie das zentrale, vom 12. bis 19. Jahrhundert von der Rechtswissenschaft intensiv behandelte Rechtsinstitut zur Umsetzung des im Begriff der plenitudo potestatis abstrahierten herrscherlichen Anspruchs dar, das bestehende Recht und die subjektiven Rechte der Rechtsunterworfenen einseitig zu verändern. Somit stellt die hier detailliert aufgearbeitete rechtliche Dogmatik zu Machtsprüchen einen sechs Jahrhunderte überspannenden, bis heute fast gänzlich ignorierten Gradmesser für die Akzeptanz und Beschränkung absolutistischer Herrschaft dar und ermöglicht der Historie und Rechtshistorie ein signifikant verbessertes Verständnis der Entwicklung und Begrenzung von Staat und Herrschaft im frühneuzeitlichen Europa.