Mensch und Tier in der Antike
Grenzziehung und Grenzüberschreitung
Annetta Alexandridis, Markus Wild, Lorenz Winkler-Horacek
Das Verhältnis von Mensch und Tier durchläuft im allgemeinen Bewusstsein einen Paradigmenwechsel. Neue Technologien und insbesondere ethische Diskurse lassen die Scheidelinie zwischen Mensch und Tier durchlässig werden. Die dadurch ausgelöste Verunsicherung ist vor dem Hintergrund einer abendländischen Tradition zu verstehen, die in der griechischen und römischen Antike wurzelt. Aber wie eng waren die Grenzen damals gesteckt? Der vorliegende Band zu einer internationalen Tagung, die im Jahre 2005 in Rostock stattfand, untersucht die antiken Vorstellungen zu den Grenzen zwischen Mensch und Tier bzw. deren Überschreitung aus philologischer, philosophischer, althistorischer und archäologischer Sicht. Neben der klassischen Antike beleuchtet sie auch die skythische und ägyptische Kultur. Gefragt wird nach Konzeptionen, die hinter den als natürlich geltenden Eigenschaften von Mensch und Tier stehen. Zentrum des Interesses sind nicht die realen Verhältnisse, sondern die Vorstellungen, die sich in Sprache, Text und Bild manifestierten und die für die Realität konstitutiv werden konnten. Der disziplinenübergreifende Ansatz des Bandes ermöglicht es, die Bandbreite und Komplexität der antiken Vorstellungswelt zu erfassen, in der strenge Dichotomien und Grenzziehungen mit gradueller Differenzierung und Auflösung von Grenzen parallel liefen. Untersucht werden u.a. verschiedene Modelle der scala naturae bei Platon, Aristoteles und den Stoikern, Tiere als Analogie oder Symbol im politischen Diskurs und im Ritus, Hybridität und Metamorphose in Bild (griechische Vasen, Kultbilder, spätantike Mosaiken) und Literatur (Aristophanes, Ovid), Hierarchien und Taxonomien im gesellschaftlichen und religiösen Leben, etwa bei Jagd und Opfer, oder auch am Rande der Welt, wo andere Regeln herrschen. Alle Zeugnisse greifen in der Konzeption von Mensch und Tier auf anthropomorphe Vorstellungen zurück, die zum Teil bereits durch die Sprache festgelegt sind. Die Übertragung von Hierarchien zwischen Mensch und Tier auf das Verhältnis der Geschlechter oder auf die Beziehung von Kultur und Natur ist somit – obwohl als Gegensatz gedacht – ein Beleg für die untrennbare Vermischung beider Elemente. Die Beiträge sind in deutscher, englischer, italienischer und französischer Sprache verfasst.