Never anyone but you
Roman
Daniel Schreiber, Rupert Thomson
Auf den Trümmern des Ersten Weltkriegs blühen in Europa die Traumwelten. Wer so tief in den Abgrund geschaut hat, sehnt sich nach Freiheit von allen hergebrachten Ordnungen. Das ist das Klima, in dem Claude Cahun und Marcel Moore ihre Kunst und sich selbst inszenieren – provozierend, gegen jede Konformität und jenseits der Geschlechtergrenzen.
Die siebzehnjährige Suzanne Malherbe freundet sich kurz vor Beginn des Kriegs mit der etwas jüngeren, aber umso aufregenderen Lucy Schwob an, der Tochter eines jüdischen Zeitungsverlegers. Zunächst noch im Verborgenen entwickelt sich aus der Freundschaft der beiden jungen Frauen eine Liebesbeziehung, die ihr Leben prägen wird.
Einfühlsam und in klarer Sprache zeichnet Rupert Thomson ihren Weg nach, auf dem sie unter geschlechtlich willkürlichen Künstlernamen im Paris der Zwan- zigerjahre mit ihren radikal modernen Texten, Collagen und Fotografien erstes Aufsehen erregen. Ihr Salon wird zum In-Treff der Surrealisten, wo sich neben Stammgästen wie André Breton und Salvador Dalí auch Hemingway einfindet.
Doch der um sich greifende Antisemitismus treibt sie aus der Metropole. Freiheit versprechen sie sich fortan von einem Leben auf der Kanalinsel Jersey, und die verteidigen sie auch, als die Wehrmacht die Insel 1940 besetzt.
Rupert Thomson kommt diesen beiden Frauen und ihrer existenziellen Liebe in seiner intimen Schilderung sehr nah. In Never anyone but you erweckt er die surrealistischen Fotografien zum Leben, mit denen dieses Paar die Kategorien von Identität und Geschlecht bis heute herausfordert und zur Inspirationsquelle von Ikonen wie Cindy Sherman und David Bowie wurde.