Pädagogik, Politik und Kritische Theorie – Erziehungswissenschaft in Verantwortung für eine emanzipatorische Praxis
Dietrich Hoffmann zum 80. Geburtstag
Horst Kuss, Karl Neumann, Kathrin Rheinländer
Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus dauerte es in der Bundesrepublik Deutschland mehr als drei Jahrzehnte, bis sich die Pädagogik von den beengenden und belastenden Ideologien befreit hatte, die teils aus den 1920er Jahren, teils aus der Zeit des sogenannten Dritten Reichs stammten. Ihrer Restauration als Geisteswissenschaftliche Pädagogik folgten zwei wesentliche Innovationen: eine zur Realistischen und eine zur Kritischen Erziehungswissenschaft. Zu denen, die sowohl die Anfänge dieser Entwicklung als auch ihr Ende im Streit um die Bedeutung der Allgemeinen Pädagogik und die Rolle der Empirischen Bildungsforschung miterlebt haben, gehört der mehr als fünf Jahrzehnte in Göttingen tätige Pädagoge Dietrich Hoffmann, der in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden ist. Anhand seiner Biographie und mit Hilfe seiner Bibliographie sowie Interpretationen seiner wissenschaftlichen Arbeit rekonstruieren die Herausgeberin und die Herausgeber die wechselseitige Bedingtheit von Bildungsreform und der Wissenschaftsgeschichte ihrer Epoche an einem besonders charakteristischen Beispiel. Der Band ist noch in einem weiteren Sinne ‚exemplarisch‘. Im Jahre 2012 haben Dietrich Hoffmann, Horst Kuss und Karl Neumann im gleichen Verlag unter dem Titel ‚Pädagogische Hochschule Göttingen 1946-1978‘ dokumentarische ‚Texte zur Geschichte der Lehrerbildung‘ veröffentlicht. Es hätte nahegelegen, eine ähnliche Sammlung zur Entwicklung des Fachbereichs Erziehungswissenschaften bzw. der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität von der Integration der Pädagogischen Hochschule von 1978 bis zur Auflösung der betreffenden Institution 1998 anzuschließen, um u. a. auch auf die Genese ihrer innovativen Diplomstudiengänge eingehen zu können. Diese Möglichkeit ist von den oben erwähnten Herausgebern nicht weiter verfolgt worden, da die Widersprüchlichkeit der Entscheidungen innerhalb der entsprechenden Prozesse von Hochschulreform in den 1980er und 1990er Jahren hinreichend dokumentiert ist, wenn auch überwiegend in der Form veröffentlichter Reden und Vorträge. Was fehlt, ist eine Erläuterung der institutionellen und personellen Zusammenhänge. Sie wird in der Darstellung des hochschulpolitischen Engagements Hoffmanns durch Kuss und Neumann beispielhaft geliefert, die in der genannten Zeitspanne selbst als Dekane des Fachbereichs amtiert haben.