Parteiautonomie.
Die Bedeutung des Parteiwillens und die Entwicklung seiner Schranken bei Schuldverträgen im deutschen Rechtsanwendungsrecht des 19. und 20. Jahrhunderts.
Joachim Püls
Die Parteiautonomie im internationalen Schuldvertragsrecht, also die Möglichkeit der Vertragsschließenden, das auf ihre Vertragsbeziehungen anwendbare Recht selbst zu bestimmen, ist im Schnittpunkt des materiellen und internationalen Privatrechts angesiedelt. Zur Rechtfertigung der Lehre von der Parteiautonomie wurde auch auf philosophische und wirtschaftliche Aspekte zurückgegriffen. Im ersten Teil der Arbeit werden daher der Begriff der Autonomie sowie deren philosophische und sozio-ökonomische Grundlagen, soweit sie für das deutsche Privatrecht des 19. Jahrhunderts maßgeblich sind, untersucht.
Die Entstehung des „Schwellenbereichs“ zwischen den beiden Arten der Parteiautonomie, die heute als materiellrechtliche und kollisionsrechtliche Rechtswahl bekannt sind, wird in einem zweiten Teil näher untersucht. Die Lehre von der Parteiautonomie ist dabei vor dem Hintergrund der Entwicklung des „ordre public“ im 19. Jahrhundert zu sehen: Indem die Lehre diesem Institut schärfere Konturen im Rahmen des internationalen Privatrechts verlieh, konnte sich der Parteiwille von den Fesseln des zwingenden nationalen Rechts zunehmend befreien. Dabei wird auch die Rolle von Rechtsprechung und Gesetzgebungsvorhaben berücksichtigt.
Neben einem primär positivistischen Verständnis der kollisionsrechtlichen Rechtswahl, das zunächst der tragende Pfeiler bei der Überwindung der Theorie einer rein materiellrechtlichen Rechtswahl war, ist die Berücksichtigung der anthropozentrischen Interessen angesichts der Bedeutung der Parteiautonomie unverzichtbar. Diese tiefere Grundlegung spiegelt auch der Wandel des Parteiwillens vom bloßen Anknüpfungselement im Rahmen der „Lokalisierung“ von Schuldverträgen hin zu einem vielschichtigen Gestaltungsfaktor im Rechtsanwendungsrecht wider und ist Gegenstand des dritten Teils der Arbeit. Die Diversifikation des Parteiwillens und die Verlagerung der Schrankenproblematik sind die dogmatischen Ausdrucksformen dieses Funktionswandels, dem die Parteiautonomie im internationalen Schuldvertragsrecht unterliegt.