Patienten mit Migrationshintergrund in Deutschland
Prävention und Förderung der Gesundheit
Attila Czirfusz, Waldemar Hinz, Fabian Renger
Was angesichts der Statistiken schon lange nicht mehr zu leugnen ist, wurde mit den Worten Angela Merkels vor ein paar Jahren offiziell (vgl. FAZ, 2015). Einer aktuellen Publikation des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zufolge ist Deutschland heute sogar „weltweit nach den USA das beliebteste Einwanderungsland“.
Im Jahr 2014 lebten in Deutschland rund 16,4 Mio. Menschen mit Migrationshintergrund, was einem Bevölkerungsanteil von mehr als einem Fünftel (20,3 %) entspricht. Im Vergleich zur vorherigen Erhebung 2011 ist die Zahl an MigrantInnen in Deutschland damit um mehr als 1,5 Mio. Menschen angestiegen. Dieser Realität muss sich nicht nur die Politik stellen, sondern auch der medizinische Sektor.
So konstatieren etwa Grützmann und Kollegen: „Durch Migrationsprozesse und zunehmenden Pluralismus ist in Deutschland das Thema kulturelle Diversität in der Medizin aktueller denn je. In der medizinischen Fachliteratur und im gesellschaftlichen Diskurs wird vermehrt von interkulturellen Konflikten im Kontakt zwischen Arzt und Patient berichtet, was die Frage nach der Rolle von Interkultureller Kompetenz für die klinische Praxis aufwirft“.
Dabei kann sich der Migrationshintergrund auf vielfältige Art und Weise sowohl auf den Gesundheitszustand der Personen als auch auf deren Teilnahme am Gesundheitswesen auswirken: Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen verfügen z. B. über unterschiedliche Vorstellungen davon, was die eigene „gute“ Gesundheit ausmacht und bei welchen Problemen in welcher Art und Weise professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden sollte. Hinzu kommen z. B. bei Flüchtlingen akute und erst später sichtbare Folgen der Flucht bzw. der Situation des Herkunftslandes.
Andere bestimmende Aspekte umfassen die soziale oder rechtliche Lage von Migranten, ihren Bildungsstand oder die auch kulturell und religiös bedingte Stellung der Frau. Im angloamerikanischen Raum ist der Zusammenhang zwischen dem Migrationsstatus und der Nutzung des Gesundheitswesens sowie der Qualität medizinischer Versorgung relativ gut wissenschaftlich herausgearbeitet. In Deutschland dagegen ist dieser Themenkomplex bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Robert-Koch-Institut, 2008) relativ unerforscht.
Als besonderes Problemfeld ist die – insbesondere bei Personen mit direkten Migrationserfahrungen – häufig noch mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache zu betrachten: Probleme zeigen sich an dieser Stelle sehr augenfällig dann, wenn eine enge Kommunikation zwischen dem Patient und dem medizinischen Personal notwendig ist. Durch z. B. Dolmetscher in Krankenhäusern wird versucht, dem entgegenzuwirken. Auch die Miteinbeziehung von deutschsprachigen Familienmitgliedern oder Vertrauten kann hilfreich sein.
Beim Thema Gesundheitsprävention allerdings erscheint es schwierig geeignete Lösungsansätze zu finden, da die Zielgruppe zunächst identifiziert werden und dann gezielt angesprochen werden muss. Auch an dieser Stelle sind kulturspezifische, religiöse und soziale Merkmale im Blick zu behalten.