Platons ungleiche Erben
Bildung und Datenbanken
Herbert Hrachovec
„Das ist dann nur noch eine Formsache.“ Was ist eine Formsache? Erstens etwas Unwesentliches, zweitens dennoch unerläßlich. Sie hat mit dem Kern der Sache nichts zu tun und muss beachtet werden.
Bildung, sowie Datenbanken, sind Formsachen. Zum Überleben ist kein Hochschulabschluss nötig. Das Diplom ist ein Formular, auf dem bestätigt wird, dass jemand Prüfungen bestanden hat. Auch Datenbanken lassen sich als Formulare betrachten. Sie enthalten schematisch geordnete Informationen.
„Aber Bildung ist nichts Totes. Sie ist gelebtes, kulturell hoch stehendes Wissen!“ Das hätten die Stützen der Gesellschaft gerne. Aus der Bildungsschicht kommen die Leistungsträger im Kulturkampf, in dem es um die Identität und Konkurrenzfähigkeit sinnstiftender religiöser, intellektueller, regionaler Traditionen geht. Bildung ist ein Wettbewerbsvorteil geworden.
Die „Aushöhlung“ des Bildungsideals wird oft dem Zeitgeist und der Ökonomisierung der öffentlichen Verhältnisse zugeschrieben. Doch es gibt gute Gründe, sie in der Geschichte angelegt zu sehen, die seit der Einrichtung der Demokratie im klassischen Athen Europa, und dann den Rest der Welt, bestimmt. Platon hat die Karriere für soziale Aufsteigerinnen als Bildungsweg beschrieben.
Hegel hat – zusätzlich zu weit ausgreifenden Spekulationen zum Prozess kultureller Entwicklung – Bildung als ein fremdbestimmtes Übergangsmoment im Gang des Geistes gefasst. Adorno und Heidegger präsentierten der gegenwärtigen Unkultur die Rechnung einer Jahrhunderte langen Fehlentwicklung. Wittgenstein bereitet Platons Formenlehre für die Computertechnik auf.
Die technischen Formalitäten von Datenbanken sind keine fremdartigen, barbarischen Erfindungen, die Platons Erbe gefährden. Sie sind ein zweiter Entwicklungsstrang dieses Denkens. Platon war Kulturapostel und Technokrat. Wie kann so etwas zusammenpassen?
Um diese Frage zu verfolgen, muss man die Nachbarschaft zwischen Bildungswesen und Datenverarbeitung offen halten. Entwicklungslinien zwischen den hohen Zielen unserer Gesellschaft und der Verwaltung ihrer Ressourcen sind aufzuzeigen. „Das ist alles eine Sache der Form“.