Schiller und die Tradition des Erhabenen
Paul Barone
Erstmals seit dem 18. Jahrhundert ist das Erhabene in den letzten Jahrzehnten wieder zu einem Schlüsselbegriff ästhetischen Denkens geworden. Während neuere Ansätze erhabene Kunst als ‘sublime’ Entmachtung der als hybrid empfundenen Autonomie des Subjekts zu denken versuchen, gründet Schillers Ästhetik des Erhabenen noch im Projekt der Aufklärung: vor dem Hintergrund des aufklärerischen Ideals der Mündigkeit konzipiert er das Erhabene als Einübung des Individuums in seine autonome Selbstbehauptung.
In Schillers bedeutender Spätschrift „Über das Erhabene“ wird die aufklärerische Ästhetik des Erhabenen zu einem letzten Höhepunkt geführt. Seine klassische Dramaturgie des Erhabenen wird in der vorliegenden Untersuchung durch textnahe Interpretation zum ersten Mal ausführlich rekonstruiert: in den Geschichtstragödien, vor allem in der Wallenstein-Trilogie, werden die moderne Poltik und Geschichte nach dem Modell des Naturerhabenen als furchtbares und ungeheures Naturschauspiel inszeniert. Der Zuschauer wird schonungslos mit den ‘Schiffbrüchen’ des Menschen in den ‘Stürmen’ der modernen Geschichte konfrontiert, um zum autonomen Widerstand provoziert und auf eine freie Bewältigung seiner conditio humana vorbereitet zu werden.