Schulleitung – Anspruch und Wirklichkeit
Zum Rollenverständnis und beruflichen Selbstbild von Schulleitungen an bayerischen Grund- und Mittelschulen
Stefan Seitz
Bis zur heutigen Zeit hat sich die empirische erziehungs- und sozialwissenschaftliche Schulforschung in Deutschland kaum explizit mit dem Berufsfeld ‚Schulleitung‘, mit dem Rollen- und Aufgabenverständnis sowie dem dazugehörigen Kompetenzprofil der darin involvierten Personen beschäftigt. Dies ist insofern verwunderlich und bedauerlich, als die tragende Bedeutung einer Schulleitung bei Schulentwicklungsprozessen mittlerweile längst bekannt ist und sich Schule ohne eine innovative und „visionäre“ Schulleitung nicht weiterentwickeln lässt. So ist inzwischen durch empirische Studien recht eindeutig belegt, dass sich Schulleitungshandeln positiv oder negativ auf die Schulkultur und das Selbstverständnis der Lehrkräfte, auf deren Einstellungen und Verhalten sowie auf deren Motivation auswirken kann – mit Konsequenzen sogar für die Unterrichtspraxis, also die Qualität von Unterricht und Erziehung bzw. von Lehren und Lernen generell. Zudem weiß man hierzulande aus internationalen Ländervergleichen, dass die heutige Berufsrolle einer Schulleitung nicht mehr aus einer bloßen Tätigkeit als Lehrkraft mit „erweiterten Verwaltungsaufgaben“ besteht, sondern vielmehr ein völlig neues Aufgabenformat erforderlich macht. „Schulleitung“ hat sich dementsprechend im europäischen Ausland mittlerweile vielfach als eigenständiges Berufsbild etabliert. Zwar hat eine Schulleitung auch heute noch traditionelle Managementaufgaben zu erfüllen. Allerdings hat sich dieses Führungsverständnis des ‚instructional leader‘ angesichts neuer Aufgabenbereiche im Zuge schulischer Qualitätssicherung und -entwicklung sowie einer den Schulen zugebilligten größeren Autonomie inzwischen zu der eines ‚transformational leader‘ erweitert. Die Schulleitung ist nicht mehr nur diejenige Instanz einer Schule, die als Garant für eine hohe unterrichtliche Qualität erachtet wird. Vielmehr ermöglicht sie den Einzug schulischer Reformen an der einzelnen Schule auf vielen Ebenen, und sie initiiert, koordiniert und begleitet diese Erneuerung überdies. Nun stellt sich die Frage, ob sich Schulleitungen hierzulande mit dieser ihnen zugedachten neuen Berufsrolle überhaupt identifizieren wollen bzw. können oder aber einem traditionellen Schulleitungsverständnis verhaftet sind. Zudem kann keineswegs als erwiesen gelten, dass sie sich für eine derartige Erweiterung ihres Aufgabenbereiches überhaupt qualifiziert sehen. Schließlich liegen bislang kaum Erkenntnisse vor, ob sie die heutzutage zugrunde gelegte Berufsrolle auch wirklich in ihrem Unterrichtsalltag praktizieren. Diese explorative Studie will genau dieses Forschungsdesiderat angehen und damit einen möglichen Grundstein legen für eine zukünftig viel breiter angelegte Forschungslinie, die die Schulentwicklungs- sowie auch die Schuleffektivitätsforschung bereichert und ergänzt. Hierfür wurden exemplarisch in einem deutschen Bundesland (Bayern) Schulleitungen von Grund- und Mittelschulen nach ihrem Schulleitungsselbstverständnis, ihren qualifikatorischen Hintergründen sowie ihrem konkreten beruflichen Handeln im Alltag mittels eines Fragebogens befragt.