Seenöte, Schiffbrüche, feindliche Wasserwelten
Maritime Schreibweisen der Gefährdung und des Untergangs
Hans Richard Brittnacher, Achim Küpper
Was geschieht, wenn die Meeresreise misslingt, wenn das mit so vielen Hoffnungen verbundene Abenteuer scheitert? Nicht zufällig gelten Schiffbrüche und -untergänge, wie sie Literatur und Film beschreiben, als suggestive Metaphern eines katastrophischen Denkens.
Meer und Schifffahrt sind uralte Bedeutungsträger menschlicher Belange, Geschicke und Geschichte(n), die Fahrt zur See ein Topos der Zuversicht und der Utopie. Manchmal geht die forschrittsfrohe Unternehmung übel aus. Dann führt der Aufbruch nicht zu neuen Ufern und auch nicht zurück in den heimatlichen Hafen, sondern die Reise stagniert in tödlicher Windstille, führt zu lebensbedrohlicher Seenot oder endet im schlimmsten Fall im Schiffbruch als ultimativem Untergang der abenteuerlichen Hoffnungen. Die Literatur erzählt seit Homer von Irrfahrten, von Stürmen, von Flauten, von Untergängen und von glücklichen Rettungen; Seestücke mit Havarien gehören zum unveräußerlichen bildkünstlerischen Bestand, um die prekären Status des Menschen zu veranschaulichen; der Film des 20. und des 21. Jahrhunderts hat sich den spektakulären Untergang der Titanic so wenig entgehen lassen wie die abenteuerliche Jagd auf den weißen Wal. Der Untergang freilich zieht in seinen Sog auch jene Bereiche, die sich aus dem maritimen Komplex metaphorisch versorgt haben: Staatstheorien, Heldenepen, Konzepte des Piratischen und des Liquiden, der Turbulenz, des Flexiblen und des Nomadischen. Zahlreiche internationale Experten vermessen das nautische Desaster aus literatur-, medien-, sozialwissenschaftlicher und philosophischer Perspektive.