Steuerrechtliche Aspekte der Gründung und Sitzverlegung einer Europäischen Gesellschaft (Societas Europaea)
Die Behandlung stiller Reserven
Dirk Aßmann
Mit der Societas Europaea (SE) ist erstmals die Möglichkeit der Gründung einer supranationalen Aktiengesellschaft geschaffen worden. Grenzüberschreitend tätigen Unternehmen wird ein einheitlicher Rechtsrahmen zur Verfügung gestellt. Die Vorteile der SE für europaweite Umstrukturierungen lassen sich jedoch nur realisieren, wenn zugleich eine national-rechtliche Basis geschaffen wird, welche die zahlreichen grenzüberschreitenden Vorgänge der Gründung und Sitzverlegung nicht gegenüber anderen Gesellschaftsformen benachteiligt. Im Bereich des Steuerrechts sind der grenzüberschreitende Bezug der Gründung und die Sitzverlegung der SE besonders problembehaftet. Durch den gründungs- oder sitzverlegungsbedingten Steuerhoheitswechsel kann es zu einem endgültigen Verlust inländischen Steuersubstrats kommen. Das fiskalische Interesse eines jeden Staates an der Aufdeckung oder zumindest Sicherung unter seiner Steuerhoheit gelegter stiller Reserven ist nicht von der Hand zu weisen. Dirk Aßmann klärt, ob es im Einzelfall bei Gründung oder Sitzverlegung zu einer Aufdeckung der im Betriebsvermögen der Gesellschaften enthaltenen stillen Reserven – einer Besteuerung – kommen darf, beziehungsweise muss, oder inwieweit eine steuerneutrale Übertragung unter gegebenenfalls zu schützender Steuerhoheit des jeweiligen Fiskus erfolgen darf. Nach einem einführenden gesellschaftsrechtlichen Überblick und Darstellung der steuerrechtlichen Grundstruktur der SE werden knapp die grundlegenden ertragsteuerlichen Prinzipien dargestellt, an die auch die steuerrechtlichen Folgen der Gründung und Sitzverlegung anzuknüpfen haben. Anschließend werden die ertragsteuerrechtlichen Folgen der einzelnen Gründungsalternativen und der Sitzverlegung auf Grundlage der geltenden nationalen steuerrechtlichen Normen analysiert, ehe mögliche Regelungsunterschiede zur nur teilweise umgesetzten steuerrechtlichen Fusionsrichtlinie aufgezeigt werden. Schwerpunkt dieser Untersuchung sollen die Auswirkungen im Bereich der grenzüberschreitenden Steuerentstrickung sein. Hierauf aufbauend werden auf Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs mögliche europarechtliche Friktionen nationaler steuerrechtlicher und fusionsrichtlinienrechtlicher Folgen mit den primären gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten herausgestellt und sodann ein Gestaltungsvorschlag für eine europarechtskonforme Besteuerung grenzüberschreitender Umstrukturierungen gegeben, um der SE zumindest eine rechtssichere Handlungsgrundlage zu bieten.