Straftatkonkurrenzen im Völkerstrafrecht.
Schuldspruch und Strafe.
Iris Hünerbein
Jeder Strafrechtsordnung stellt sich beim Auftreten einer Straftatkonkurrenz zum einen die Frage nach der adäquaten Fassung des Schuldspruches, zum anderen die Frage nach dem Umgang mit dem Zusammentreffen mehrerer Strafdrohungen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Beantwortung dieser Fragen für das Völkerstrafrecht.
Zuerst werden die lückenhaften Regelungen der vorhandenen völkerstrafrechtlichen Satzungen im Wege einer Rechtsvergleichung zwischen dem kontinentaleuropäischen und dem angloamerikanischen Rechtskreis um Orientierungspunkte in Form gemeinsamer Rechtsgrundsätze ergänzt. Sodann wird die praktische Behandlung der Konkurrenzproblematik durch das Jugoslawien- und das Ruanda-Tribunal dargestellt, bevor zum Abschluß einzelne mögliche Konkurrenzkonstellationen behandelt werden.
Im Ergebnis werden allein für die Frage nach der adäquaten Fassung des Schuldspruches gemeinsame Rechtsgrundsätze aufgefunden. Diese entsprechen den in Kontinentaleuropa als Spezialität, Konsumtion und Subsidiarität bekannten Fallgruppen. Bei der Behandlung möglicher Konkurrenzkonstellationen ergibt sich daraus unter anderem, daß ein kumulativer Schuldspruch immer zulässig ist, wenn Verbrechen aus den verschiedenen völkerstrafrechtlichen Verbrechensgruppen zusammentreffen, nämlich Kriegsverbrechen, Menschlichkeitsverbrechen und Völkermord.