Textsorten und Textkritik
Tagungsbeiträge
Adolf Primmer, Kurt Smolak, Dorothea Weber
Eine nach streng philologisch-wissenschaftlichen Maßstäben erarbeitete Edition lateinischer patristischer Texte stellt an den Herausgeber hohe Anforderungen. Denn abgesehen von theologischer, linguistischer und paläographischer Kompetenz, hat der Editor der speziellen Textsorte Rechnung zu tragen, welcher der zu edierende Text angehört. Besonders klar tritt dieses Problem angesichts der unterschiedlichen Kriterien zu Tage, nach denen die – zumeist reiche – handschriftliche Überlieferung literarisch höchst anspruchsvoller Stücke, wie es ein Großteil der christlichen Kunstdichtung des 4. und 5. Jhs. ist, einerseits und jene – noch reichere – der zum Volk gesprochenen, mitunter improvisierten, aber nichtsdestoweniger wohlkomponierten Predigten eines Augustinus andererseits zu bewerten ist, von Texten also, die zunächst nur durch Stenogramm fixiert waren. Der vorliegende Band vereinigt vierzehn Aufsätze von Philologen, Theologen und Kirchenhistorikern zu dem im Titel angeführten Thema. Die Beiträge sind aus Referaten hervorgegangen, die auf einem von der Kirchenväterkommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften organisierten, im Februar 2001 veranstalteten internationalen Symposion gehalten wurden. In ihnen wird die Weite der Problematik anhand konkreter Beispiele demonstriert, die sich aus der Herausgebertätigkeit der Beiträger, die zum Großteil mit Editionen für das CSEL befaßt sind, ergeben haben. – Da das Problem „Textsorten und Textkritik” zu den grundsätzlichen jeder Philologie gehört, die es mit kritischem Edieren zu tun hat, ist der vorliegende Band nicht allein für Latinisten und Patristiker von Interesse.
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It is a demanding task to edit a Latin text of the patristic era according to strictly scholarly philological methods; in addition to theological, linguistic and paleographic skills, the editor must take into account the specific genre of the text to be edited. This complex situation becomes even more evident when one considers the different criteria by which the manuscript tradition of different texts must be judged. On the one hand, there are pieces of very high literary aspirations handed down in many manuscripts, as is the case with most of the Christian artistic poetry of the 4th and the 5th century. On the other hand, we have sermons like those of Augustine, which were preached to an audience of simple people.These sermons were at times delivered ex tempore, but were still well structured; their texts were taken down in shorthand and are preserved in even more manuscripts.
The present volume contains fourteen articles in which philologists, theologians and church historians examine the topic indicated in the title. The articles are based on papers presented in February 2001 at an international meeting organised by the ”Kirchenväterkommission” of the Austrian Academy of Sciences.