Thales von Milet in der frühen christlichen Literatur
Darstellungen seiner Figur und seiner Ideen in den griechischen und lateinischen Textzeugnissen christlicher Autoren der Kaiserzeit und Spätantike
Andreas Schwab
Thales von Milet (7.-6. Jh. v. Chr.) gilt als eine der bedeutendsten Figuren der griechischen Philosophie und Wissenschaft. Dennoch sind von seinem Leben nur wenige Anekdoten bekannt und von seinem Werk ist nichts direkt überliefert. Dies ist ein wichtiger Grund für die Untersuchung von Andreas Schwab, der erstmals mehr als einhundert Textzeugnisse frühchristlicher Autoren zu Thales’ Leben und Lehre erschließt, die in der neuen Testimoniensammlung zu Thales (Traditio Praesocratica, Bd. 1, 2009) dokumentiert sind. Erforscht werden insbesondere die literarischen Diskursfelder und argumentativen Kontexte, in denen auf Thales Bezug genommen wird. Ziel des Kommentars ist nicht eine Rekonstruktion von Thales’ Leben und Lehre, vielmehr werden die Darstellungen seiner Figur und seiner Ideen sowie deren Funktion in späterer Zeit am Beispiel des christlichen Textcorpus analysiert und kommentiert. Die lateinischen Texte reichen von Tertullian über Augustinus bis zu Isidor von Sevilla, während sich die griechischen von den ersten Apologeten über Eusebius von Cäsarea bis zur Chronik des Johannes Malalas erstrecken. Diese neuartige, diachrone Geschichte zum ‚Image‘ des Thales dient in ihrer interdisziplinären Ausrichtung sowohl der Erforschung der frühgriechischen Philosophie als auch dem tieferen Verständnis frühchristlicher Literatur und Theologie.