Troubadour des Wissens
Versuch über das Lernen
Karl Werner Modler, Michel Serres
Der ‚Troubadour des Wissens‘ versteht sich als Grundlegung des Lernens und erzählt von den Mischformen des Wissens. Fremd und ursprünglich, schon aus den Genen seines Vaters und denjenigen seiner Mutter gemischt, als Drittes zwischen ihnen, entwickelt sich jedes Kind nur durch neue Kreuzungen weiter, und jede Pädagogik wiederholt die Zeugung und die Geburt eines Kindes: als Linkshänder geboren, lernt das Kind, sich der rechten Hand zu bedienen, bleibt dennoch Linkshänder und wird als Rechtshänder wiedergeboren, im Zusammenfluss der beiden Sinnrichtungen; der als Gascogner Geborene bleibt Gascogner und wird Franzose, aber eigentlich wird er Mischling; als Franzose macht er sich zu einem Spanier, Engländer oder Deutschen, wenn er diese neue Kultur und Sprache lernt und dennoch seine eigene bewahrt, nun ist er viertelblütig, gemischte Seele, gemischter Körper. Sein Geist ähnelt dem Mantel Harlekins.
Diese Mischform, die jeder zuerst im Körper erfährt, wird zum Ideal jeder Erziehung, die nicht halbseitig gelähmt sein will. Der Mischling heisst hier ‚unterrichteter, das heisst informierter und gebildeter Dritter (tiers-instruit)‘. Von Natur aus eher wissenschaftlich orientiert, tritt der unterrichtete Dritte in die Kultur ein, weil die Wissenschaft die Fragen des Leidens und des Bösen beherbergt, ohne jene jedoch vorhersagen zu können. Es ist erforderlich, sich sowohl mit der exakten Vernunft als auch mit den ungerechten Übeln auseinanderzusetzen; daraus folgt die Freiheit zur Erfindung und damit auch diejenige des Denkens.