Verfassungsrechtliche Fragen eines beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie
Fritz Ossenbühl
Der Atomkonsens von 2002 hat zu einer „geordneten Beendigung der Kernenergie“ geführt, ohne Rechtsstreitigkeiten und ohne Entschädigungszahlungen. Dieser Konsens ist durch die Energiewende gebrochen worden. Damit sind mehrere Verfassungsbeschwerden der betroffenen Kernkraftwerksbetreiber ausgelöst worden. Die bereits vor zehn Jahren geführte Diskussion um Verfassungsfragen des Atomausstiegs ist neu entfacht worden und hat durch den Zick-Zack-Kurs in der Energiepolitik einen neuen spezifischen Gehalt erfahren. Kann der Staat eine Energiepolitik, die er über ein halbes Jahrhundert für unabdingbar notwendig erachtet und in vielfältiger Weise gefördert hat, ohne plausible Begründung über Nacht abrupt um 180 Grad ändern und damit einen ganzen Industriezweig eliminieren oder gebietet ihm verfassungsrechtlich geforderte Kontinuität eine mit Rücksicht auf die Grundrechte der Kernkraftwerksbetreiber notwendige zeitlich angemessene Umsteuerung? Diese Fragen betreffen insbesondere die Eigentumsgarantie und das Grundrecht der Unternehmerfreiheit.