Von einsamen Wölfen und ihren Rudeln. Zum sozialen Phänomen des Einzeltäters
Mittelweg 36, Heft 4-5 Oktober/November 2020
Kathleen Blee, Thomas Hoebel, Fabian Lemmes, Leena Malkki, Stefan Malthaner, Chris Schattka, Mattias Wahlström
Utøya, Christchurch, El Paso – das sind nur einige der Orte, die in den letzten Jahren als Schauplätze terroristischer Anschläge zu trauriger Berühmtheit gelangt sind. In Deutschland waren es die Gewalttaten von München, Köln, Halle und Hanau, die das Land schockiert und sich ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben. In der öffentlichen Berichterstattung wie auch in der wissenschaftlichen Forschung hat sich für diese und ähnliche Fälle, in denen die Gewalt von einer einzelnen Person verübt wurde, der Begriff des »Einzeltäters« etabliert. Inzwischen mehren sich die Zweifel an der Angemessenheit der Bezeichnung, denn selten lebten die Täter vor der Tat zurückgezogen oder isoliert. Meistens waren sie eingebettet in soziale Kontexte wie reale oder virtuelle Netzwerke und Kommunikationsgemeinschaften, in denen sie sich mit anderen austauschten und nach Aufmerksamkeit und Anerkennung strebten. Grund genug, Einzeltäterschaft als soziales Phänomen zu begreifen und zusammen mit den Gewalttätern auch die vielfältigen Beziehungen und die Bedingungen in den Blick zu nehmen, aus denen sie hervorgehen.