Wir teilen unser Ungleichgewicht von Schwab,  Kirstin

Wir teilen unser Ungleichgewicht

Gedichte

Wie definiert sich das Ungleichgewicht menschlicher Existenz? Was bedeutet es unser Dasein miteinander zu teilen? Und wovon wollen wir uns überhaupt als Teil begreifen in einer Zeit, gleich einer Bruchlinie, die uns unablässig zwingt Stellung zu beziehen?

Wir teilen unser Mensch sein, unsere Lebendigkeit und manchmal auch den Tod.

Kopf, Herz und Hand teilen eine Sehnsucht nach Erkenntnis.

Mit jeder Schicht, die uns umgibt, teilen wir eine Grenze oder vielmehr einen Berührungspunkt. Berührung wird möglich. Mit uns selbst, miteinander, mit Fremdem und Vertrauten. Teilnahme. Teilhabe. Selbstermächtigung.

wir teilen unser Ungleichgewicht. verteilen ungleich gewichtig.

Linien zum Trennen und Verbinden. weiterzeichnen über Abstöße

 

hinweg. zueinander gezogen. ein Equilibrium der Natur im Mensch?

Stückwerk, in das wir brechen. uns gebrochen haben.

 

starke Kanten in endloser Weite. begrenzte Gebiete

voller Nachschub und Antrieb.

 

Gleichnis einer Biologie der Liebe.

glaubhaft die Annährung der Körper.

 

trägt die Lebensschaukel, oben wie unten, unaufhörlich Gleichgewicht

unsere Hoffnung in ihrem sanft balancierenden Akt.

Lyrik begreife ich, wie auch meine Arbeit als Schauspielerin am Theater, als den immerwährenden Versuch zutiefst Menschliches zu begreifen, zu verdichten und in Momentaufnahmen, kurzen Augenblicken des Verstehens und der Verwandlung, einzufangen, in all ihrer Physis und mit den immer wieder zu überprüfenden Mitteln der Sprache. Wandel, Veränderung und Katharsis speisen sich aus der vollständigen Hingabe an den Moment oder wie Charles Du Bos es ausdrücken würde: »to be able, at any moment, to sacrifice what we are for what we could become«.

So ist dieser Gedichtband ein zartes Umfassen von Flüchtigkeit und Gewicht menschlicher Existenz in all ihren Facetten, der Ausschließlichkeit von Leben und Tod, der Gleichzeitigkeit von Vergangenem, Gegenwärtigem und dem Konstrukt, das wir Zukunft nennen:

»wie beides?/ gewesen und sein/ gesagt und sagend/ aufgeschnitten und ganz/ vor dem Tod und danach/ in dir und um dich herum/ Gedankenspiel Gewicht/ fassen und lösen«.

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