Zwischen nationalem Aufbruch und Nischenexistenz
Evangelisches Leben in Hamburg 1933-1945
Victoria Overlack
Stark national und konservativ denkend, geprägt durch die
Erfahrung einer dramatischen Abwanderung vieler Mitglieder, begriff auch die kirchenleitende Elite Hamburgs die politischen Entwicklungen im Frühjahr 1933 als Chance für eine breite Missionierung unter den kirchenfernen evangelischen Christen. Die nationale Initialzündung inspirierte zu einem Bruch in der Organisationsstruktur der Landeskirche. Die traditionell kollegial geführte Landeskirche wurde hierarchisch umgebildet, das Bischofsamt ebenso eingeführt wie das aus dem politischen Raum übernommene ‚Führerprinzip‘. Diese Umbildung wirkte sich bis auf die untersten Ebenen evangelischen Lebens aus.
Die Mehrheit der evangelischen Christen befand sich zu Beginn aufgrund ihrer national-konservativen, anti-modernistischen und vor allem anti-marxistischen Gesinnung durchaus im Einklang mit der Politik der Nationalsozialisten. Nachdem ein kirchenpolitischer Kampf um die ‚richtige‘ Haltung zum Bekenntnis ausbrach, verstärkte sich der politische Druck von außen. Das evangelische Leben an der Basis zog sich darauf in Nischen zurück, in denen dieser Streit eine immer geringere Rolle spielte.
Die Autorin wirft zum ersten Mal einen Blick auf das evangelische Leben an der Basis der Kirche und leuchtet die Grenzen und Möglichkeiten der gelebten Frömmigkeit im nationalsozialistischen Staat aus.