Zwischen Wienerlied und Der Kleine Kohn
Juden in der Wiener populären Kultur um 1900
Michael Brenner, Klaus Hödl, Stefan Rohrbacher
Die Untersuchung des Engagements von Juden in der Wiener Populärkultur um 1900 ist ein in der Forschung bisher vernachlässigtes Vorhaben. Daher widmet sich Klaus Hödl eingehend ausgewählten Aspekten jüdischer Beiträge in der Unterhaltungskultur um 1900 und legt seinen Schwerpunkt auf jüdische Volkssänger und Varietés. Die zentrale Aussage des Manuskriptes ist, dass die sogenannte Populärkultur in Wien um 1900 von Juden und Nichtjuden gemeinsam gestaltet wurde. An einer Reihe konkreter Beispiele zeigt Hödl auf, dass die Kooperationen zwischen ihnen mannigfaltig und ihre Beziehungen auch auf privatem Gebiet sehr eng waren. Trotzdem gab es aber auch Antisemitismus. Allerdings scheint er weniger ausgeprägt und radikal als in anderen gesellschaftlichen Bereichen gewesen zu sein. Jüdische Volkssänger reagierten auf ihn, indem sie einerseits die Grundlage für eine ethnische und kulturelle Zugehörigkeit im performativen Engagement anstatt in Herkunft und Abstammung sahen. Andererseits schrieben sie jüdische Existenz in die Vergangenheit ein. Sie bemühten sich mit anderen Worten um das gegenwärtig sehr populäre Konzept der shared oder entangled history.