Lebhafte Artefakte

Lebhafte Artefakte von Müggenburg,  Jan Klaus
Wie die Maschinen »lebendig« werden. Lebhafte Artefakte bietet überraschende Einblicke in eine der wirkmächtigsten Strömungen der jüngeren Wissenschaftsgeschichte. In den 1960er Jahren gelang es den Forschern des Biological Computer Laboratory an der University of Illinois, die »Lebendigkeit« von Maschinen als einen Effekt institutioneller und forschungspolitischer Kontexte zu inszenieren. Es ging um die Konstruktion »biologischer «, die sich an Vorbildern aus der Natur orientierten. Das Ergebnis waren »künstliche Sinnesorgane«, »neuronale Netze«, »selbstorganisierende Automaten« und damit Vorläufer heutiger Roboter und Computerprogramme aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Der Direktor des Labors, der österreichische Physiker Heinz von Foerster, brachte hier ein Forschungsprogramm auf den Weg, das in der jüngeren Wissenschaftsgeschichte seinesgleichen sucht. Während der Computer in der Frühphase der Kybernetik vor allem als Modell und Metapher eine Rolle spielte, wurde an Foersters Labor tatsächlich mit Maschinen gearbeitet. Jan Müggenburg legt die kulturellen, philosophischen und politischen Hintergründe dieser Zusammenhänge offen. Indem es den Nachlass des Labors im Archiv der University of Illinois erschließt, fügt sein Buch der Geschichte der Kybernetik ein neues Kapitel hinzu.
Aktualisiert: 2023-04-21
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Sehen versuchen

Sehen versuchen von Didi-Huberman,  Georges
»Verallgemeinernde und zeitlose Diskurse zur Ethik der Bilder sind nutzlos, wenn sie zu der Vorstellung führen, daß nach einem absoluten Kriterium »alles gesehen« und »alles erwogen« worden ist.« Wie überlebt man das Überleben? Georges Didi-Hubermans Essays umkreisen die Orte der Shoah und rühren an das Trauma der Moderne. Sie schreiten die Grenzen des Sag- und Vorstellbaren ab und fragen nach den Möglichkeiten der Erinnerung. Wo die wissenschaftlich-analytische Aufbereitung der Fakten Gefahr läuft, das Erleben der Opfer und die Ereignisse selbst zum Verschwinden zu bringen, formt der Künstler Zeit-Räume, die zuvor undenkbar und unmöglich waren. Einer Musealisierung der Orte der Shoah stellt Sehen versuchen am Beispiel von Imre Kertész, Claude Lanzmann und Mirosław Balka die literarische und ästhetische Überlieferung entgegen, deren lebendiges Gedächtnis eine hartnäckige Zumutung bleibt.
Aktualisiert: 2023-04-21
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Der diskrete Charme der Anthropologie

Der diskrete Charme der Anthropologie von Albers,  Irene
Michel Leiris wird hier als diskrete Schlüsselfigur einer anderen literarischen Moderne neu lesbar gemacht. Sie wendet sich der Ethnologie zu, um ihre Schreib- und Lebensspiele im Lichte fremdkultureller Praktiken zu reflektieren. Michel Leiris (1901–1990) war beides, Surrealist und Ethnologe. Als Grenzgänger und Dissident in zwei Welten, der literarischen und der wissenschaftlichen, wurde er zu einem frühen Kritiker des Kolonialismus und des europäischen Literaturverständnisses, das er durch Sprachexperimente und radikale Selbstanalysen außer Kraft setzen wollte. Das Buch präsentiert Leiris im künstlerischen und intellektuellen Kräftefeld des Surrealismus, der Vorlesungen von Marcel Mauss, des Musée d`ethnographie du Trocadéro, der Zeitschrift Documents und des Collège de Sociologie (1937–1939). Als er während der Mission Dakar-Djibouti (1931-1933) erlebt, wie Andere sich entgrenzen, stellt Leiris eine Reversibilität zwischen eigenen und fremden Fremderfahrungen her: Seine Auffassung von »Poesie« und »Autobiographie« entfaltet er fortan in einem Dialog mit der Geheimsprache der Dogon und dem äthiopischen zar-Kult. Irene Albers verfolgt diese ethnologische Poetik, die bis in die Weltliteraturprojekte der Nachkriegszeit sowie die bis heute weiterwirkenden Karibik-Diskurse reicht, an denen Leiris sich früh beteiligte. Ihre Studie ist ein Beitrag zu aktuellen Diskussionen über literarischen Primitivismus, Weltliteratur, Heteronomieästhetik und symmetrisierende Revisionen der Moderne.
Aktualisiert: 2023-04-21
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Gespenster

Gespenster von Andriopoulos,  Stefan
Eine Archäologie der Gespenstererscheinungen in Philosophie, Literatur, spiritistischer Forschung und neuen Medien vom 18. bis ins frühe 20. Jahrhundert. Als Kant an einer Abhandlung über das wahre und das falsche Geistersehen schrieb, verwendeten Schausteller die Laterna magica, um ihr Publikum mit projizierten Gespenstern zu erschrecken. Die Ambivalenz gegenüber den Geistern blieb für Kant prägend. In seinen kritischen Texten nimmt der Philosoph dann den spiritistischen Begriff der Erscheinung eines übersinnlichen Dings an sich auf. Gleichzeitig setzt er die Täuschung der spekulativen Vernunft mit dem Blendwerk der Zauberlaterne in eins. So wird das optische Medium zur epistemischen Figur für die Grenzen des philosophischen Wissens. Es sind solche Konstellationen, denen Stefan Andriopoulos nachspürt, indem er bei Kant und Hegel, Schiller und Schopenhauer, in der Literatur der Romantik und bei der Erfindung des Fernsehens verborgene, aber konstitutive Zusammenhänge zwischen Philosophie, Medien, Literatur und scheinbar obskuren kulturellen Praktiken aufdeckt. Die Kombination von historischer Forschung und genauer Textlektüre eröffnet überraschende Einblicke in die technische und philosophische Projektion von Geistern und erzählt eine neue Mediengeschichte der Gespenster in Literatur und Wissenschaften.
Aktualisiert: 2023-04-21
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Zwischen den Klassen

Zwischen den Klassen von Brühmann,  Horst, Jaquet,  Chantal
»Wer den Klassenkampf für überholt hält, gehört der herrschenden Klasse an.« Pierre Bourdieu hat dem Bildungswesen wiederholt attestiert, soziale Ungleichheiten und Klassenprivilegien nicht etwa abzubauen, sondern zu reproduzieren. Dagegen spürt das Buch von Chantal Jaquet den Geschichten derjenigen nach, die das Schicksal ihrer ursprünglichen Klasse eben nicht wiederholen. Es fragt nach den politischen, wirtschaftlichen, sozialen, familiären und je singulären Bedingungen, die ein anderes als das vorherbestimmte Leben möglich machen. Am Kreuzungspunkt von kollektiver und persönlicher Geschichte rücken die Formen von Individualität in den Blick, die keinen Platz in ihrer jeweiligen Umgebung finden und Klassengrenzen überschreiten. Im Ausgang von Didier Eribons und Annie Ernaux` sozialen Autobiographien lädt Chantal Jaquet dazu ein, biographische Singularität an der Schnittstelle von Philosophie, Soziologie, Sozialpsychologie und Literatur anders zu denken. Ihrem politischen Essay geht es um einen neuen Blick auf die sozialen Bedingungen des Menschlichen.
Aktualisiert: 2019-10-16
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Indifferenz und Wiederholung

Indifferenz und Wiederholung von Ruda,  Frank
Wahlfreiheit ist die Ideologie der Moderne. Sie erlaubt es dem Menschen so zu handeln, als wäre er kein Mensch. Indifferenz und Wiederholung rekonstruiert die Geschichte der modernen Philosophie als ideologiekritisches Projekt. Ideologisch ist es nämlich, Freiheit als ein Vermögen vorauszusetzen, das der Mensch schon immer hat, das ihm gegeben ist. Das nennt Frank Ruda den Mythos der Gegebenheit der Freiheit und eröffnet damit eine neue Perspektive auf Geschichte und Gegenwart. Freiheit schlägt nämlich genau in dem Moment in Gleichgültigkeit und Indifferenz um, in dem sie zum vermeintlich natürlichen Eigentum des Menschen gemacht und damit mythisch verstanden wird. Vormodern ist der Mythos der natürlichen Gegebenheit der Freiheit. Modern wird die Philosophie der Freiheit hingegen durch ihre wiederholte Kritik an diesem Mythos und in der Verteidigung der Vernunft gegen ihn. Die kritische Durchquerung des Mythos der Freiheit wird so zu einem notwendigen Schritt auf dem Weg zu ihrem modernen Begriff.
Aktualisiert: 2019-10-16
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„Ueber die Eide“

„Ueber die Eide“ von Twellmann,  Marcus
Über Amtseide und Bekenntniseide, Judeneide,Gerichts-, Huldigungs- und Fahneneide stritten die Gelehrten des 18. Jahrhunderts mit einer In¬tensität, die zunächst überrascht. Aber gerade hier zeigt sich in überraschender Weise die Aktualität der Aufklärung. Denn schon im Zeitalter der Aufklärung mussten die Eide als staatliche Einrichtungen der Disziplinierung wie Überreste einer Verknotung von Politik, Recht und Religion erscheinen, deren Auflösung längst begonnen hatte. Gerade am Eid entzündete sich die Kritik von Theologen und Philosophen, Juristen und nicht zuletzt Literaten. Ihre literarischen Techniken und Taktiken werden in dieser Studie untersucht. Dabei zeigt sich, dass in der Auseinandersetzzung mit den Regierungspraktiken des Absolutismus die Parteigänger der Aufklärung Schreibverfahren entwickelten, die die institutionellen Voraussetzungen ihres Denkens, Redens und Publizierens thematisierten und verhandelbar machten. Auf dem Spiel stand nicht mehr und nicht weniger als die Möglichkeit eines Raumes der aufklärerischen Kritik. Die Frage des Eids nämlich betraf auch die Rechtsstellung vieler Aufklärer und damit die Bedingungen ihres Schreibens. Denn als Amtsträger waren sie vielfach selbst eidlich gebunden. Immanuel Kant etwa, Professor und zeitweiliger Kanzler einer staatlichen Universität, trug seine Lehre in einem staatsfreien Raum vor, der zugleich nur durch den Staat eröffnet und garantiert werden konnte. Sein Bestand war abgesichert durch Eide. Die in diesem Buch dargestellte Kunst der Kritik erweist die ungebrochene Aktualität von Aufklärung, spielt sie sich doch an jener Grenze ab, an der Wissen und Macht im Konflikt stehen.
Aktualisiert: 2019-10-16
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Despoten dichten

Despoten dichten von Kaminskij,  Konstantin, Koschorke,  Albrecht
Warum haben ausgerechnet Gewaltherrscher oft eine besondere poetische Ader? Auf welchem gemeinsamen Grund treffen sich Terror und Fiktion? Welche Verbindung gehen Kunst und Politik ein, wenn die Dichter-Kämpfer zugleich politische Führer sind, die den Staat als Kunstwerk betrachten? Poetische Herrschaftskritik ist wohl so alt wie die Dichtung selbst, und sie stellt die Kehrseite der wechselseitigen Abhängigkeit von Dichter und Herrscher dar: Der poetische Souverän, der eine Welt aus Worten erschafft, stü(r)tzt den politischen Souverän, der eine Welt aus Taten aufbaut. Elementare Voraussetzung für diese Struktur politischer Ordnung ist die Spaltung von Geist und Macht, die strikte Trennung von Politik und Poesie. Was passiert nun, wenn Despoten dichten? Dass tyrannische Staatsführung oft mit exzessiver Sprachlust verbunden ist, ist kein Zufall – verspricht doch schon die Verschmelzung von künstlerischer und politischer Sphäre einen einzigen, unumschränkten Herrschaftsanspruch. Mehr noch: Diktatoren sind irreguläre Herrscher, die sich weder von einer namhaften genealogischen Linie herleiten noch aus den Eliten des Landes rekrutieren. Die politische Ordnung, die sie auf ihre Person hin ausrichten, müssen sie selbst erst schöpferisch erzeugen, ihre eigene Welt erfinden. So können sich Despoten als Autoren eines gigantischen Kunstwerks fühlen, das rein aus ihrem Inneren entstanden ist. Den Hauptteil des Bandes bilden Studien zu dichtenden Despoten des 20. Jahrhunderts. Auf einen einleitenden Essay über Nero folgen Beiträge zu Benito Mussolini, Josef Stalin, Adolf Hitler, Mao Zedong, Kim Il-sung, Muammar al-Gaddafi, Saddam Hussein, Saparmyrat Nyýazow und ein Essay von Slavoj Žižek über Radovan Karadžic. Den Abschluss bildet eine Betrachtung von Boyan Manchev über den Zusammenhang von Romantik, Avantgarde und tyrannischer Poesie.
Aktualisiert: 2020-07-14
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Die katastrophische Feerie

Die katastrophische Feerie von Dünne,  Jörg
Vulkanausbrüche und Erdbeben auf dem Pariser Montmartre? Jörg Dünne zeigt, wie die französische Literatur spektakuläre Szenen aus der Erdgeschichte in die Moderne projiziert. Sein Buch verdankt sich der Begegnung zwischen populärer Theatertradition und geologischen Spekulationen zur Erdentstehung in der französischen Literatur der Moderne, die nur auf den ersten Blick zufällig erscheint. Die Feerie, eine im Paris der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ungeheuer beliebte Theatergattung, trifft dabei auf die Katastrophentheorie des Naturwissenschaftlers Georges Cuvier und ihre populärwissenschaftlichen Darstellungen in spektakulären Szenen aus der Tiefenzeit der Erde. Jörg Dünne zeigt, dass das Aufeinandertreffen von Feerie und Katastrophe mehr ist als nur ein Kuriosum der Literatur- und Wissensgeschichte: Dies liegt vor allem an einer Reihe bekannter Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts, von Jules Verne über Gustave Flaubert bis hin zu Louis-Ferdinand Céline, die allesamt nicht nur Liebhaber und Autoren von Feerien waren, sondern auch in ihren Romanen je unterschiedliche Verbindungen zwischen spektakulären Tableaus und erdgeschichtlichen Katastrophen herstellen. Am Beispiel kulturtheoretischer Schriften von Walter Benjamin bis zu Michel Foucault und Gilles Deleuze wird darüber hinaus deutlich, dass der spektakuläre Katastrophismus nicht nur die literarische Imagination bis weit ins 20. Jahrhundert hinein geprägt hat, sondern in bislang unerkannter Weise auch allgemeine Modelle des Denkens von Historizität. Ergänzt wird das Buch um zahlreiche, größtenteils erstmals in deutscher Sprache präsentierte Dokumente aus Theaterfeerien und populärwissenschaftlichen Katastrophenszenarien, die eine alternative wissens- und imaginationsgeschichtliche Genealogie dessen vor Augen führen, was man üblicherweise die ästhetische und epistemologische Moderne nennt.
Aktualisiert: 2022-12-13
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Verheiratet mit einem Toten

Verheiratet mit einem Toten von Offe,  Johanna
Durch die verheerende AIDS-Epidemie im südlichen und östlichen Afrika steigt dort die Zahl junger Witwen, die oftmals selbst mit HIV infiziert sind und kleine Kinder versorgen müssen. Für die Witwe eines Verstorbenen ist die Zeit nach dem Tod des Mannes aber noch aus anderen Gründen gefährlich. Durch den ehelichen Geschlechtsverkehr ist sie eng mit dem spirit des Mannes verbunden, der sich in ihrem Körper aufhält. Sie ist eine mukamfwilua und somit 'verheiratet mit einem Toten'. Dieser Zustand endet erst, wenn ihre Verbindung zum verstorbenen Mann rituell aufgelöst wird. Die hieraus resultierenden Konflikte zwischen Witwen und ihrem Umfeld zeigen, dass die AIDS-Krise in Sambia nicht nur destabilisierende Folgen hat, sondern auch die Neubestimmung kultureller Grenzen notwendig macht.
Aktualisiert: 2019-10-16
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Das Prinzip Demokratie

Das Prinzip Demokratie von Laugier,  Sandra, Ogien,  Albert
Seit einigen Jahren ist die Welt in eine Phase des politischen Aufruhrs eingetreten, deren Ende noch nicht abzusehen ist. Versammlungen und besetzte Plätze, Protestbewegungen gegen die Staatsgewalt, zivile Aufstände, globale Mobilmachungen, Cyberaktivismus, Gründungen neuer Parteien, Aufrufe zum Ungehorsam: An allen vier Enden der Welt rumort es, immer wieder verschaffen Kundgebungen dem Willen der Bürger Gehör, auf die Entscheidungen und Handlungen derer Einfluss zu nehmen, die sie regieren und repräsentieren. Diese ebenso unerwartet auftretenden wie offenkundig unerschöpflichen Bewegungen haben schlagartig all das Gerede Lügen gestraft, das uns so lange versichert hat, die Welt sei nun endgültig ins Zeitalter der Entpolitisierung eingetreten. Albert Ogien und Sandra Laugier schreiten in ihrem Buch das gesamte Bedeutungsspektrum des zivilen Ungehorsams ab. Sie erläutern, warum die neuen Formen des politischen Engagements trotz der fatalen Entwicklungen etwa in der arabischen Welt auch für die Zukunft bedeutsam bleiben und können sich dabei auf die ursprüngliche Idee der Demokratie berufen, die diese Bewegungen mit neuem Leben erfüllen: gleiche Rechte, gleiche Teilhabe und gleiche Verantwortung der Einzelnen; Achtung der Würde der Person; Anerkennung und Förderung der individuellen Autonomie; Eintreten für eine Vielfalt der Lebensweisen. Ohne den politischen Aktivismus zu verklären, analysiert das Buch in grundsätzlicher Weise die Funktionen und Wirkmöglichkeiten der neuen Formen des Politischen, die unsere Gegenwart kennzeichnen – und wird gerade dadurch zum Leitfaden für politisches Denken und Engagement in einer unübersichtlichen Welt. Nicht zuletzt versteht es sich als Entwurf einer philosophischen Begründung des Prinzips Demokratie, das heute wichtiger ist denn je.
Aktualisiert: 2019-10-16
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Stehen und Gehen

Stehen und Gehen von Sprenger,  Ulrike
Noch heute wirken die berühmten Karprozessionen wie Relikte eines fremden und dunklen Spanien, kontrolliert von Gegenreformation und Inquisition. Ulrike Sprenger zeigt dagegen am Beispiel Sevillas, wie diese Prozessionen zu ihrer Blütezeit Anfang des 17. Jahrhunderts sich den öffentlichen Raum neu erschließen und Schritt halten mit dem Aufbruch in die Neuzeit. Im performativen Wechsel von Stehen und Gehen entfalten insbesondere die blutigen Flagellantenzüge ein suggestives Spektrum bewegter und bewegender Bilder, die sich der Kontrolle der Autoritäten entziehen und sich die Stadt neu erobern. Die im Umfeld dieser prozessionalen Stadtkultur entstehende Textvielfalt erweist sich als in ähnlicher Weise performativ und produktiv. Angefangen bei den Ursprungslegenden zu Marienbildnissen über Stadtchroniken bis hin zum Theater scheinen diese Texte zunächst darauf angelegt, regionale Sakralgeographie neu zu befestigen, bringen dabei jedoch eine durchaus weltliche narrative Vielfalt hervor. Sevillas Prozessionskultur um 1600 wird so zum frühmodernen Fallbeispiel dafür, wie zentrale Autoritäten die lokale Identitätsfindung in gleichem Maße disziplinieren und entfesseln.
Aktualisiert: 2019-10-16
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Körper, Tod und Technik

Körper, Tod und Technik von Elsaesser,  Thomas, Wedel,  Michael
Kriegsfilme nehmen uns mit: in Zeit und Raum, indem sie uns an die Schauplätze historischer Konflikte und militärischer Gefechte versetzen, vor allem aber emotional, indem sie uns zu Zeugen technifizierter Gewalt, körperlicher Verstümmelung und kollektiven Sterbens machen. Thomas Elsaesser und Michael Wedel zeichnen den grundlegenden ästhetischen Wandel des Hollywood-Kriegsfilms in der jüngeren Vergangenheit nach. Ausgangspunkt ihres Buches ist jener historische Moment, an dem er eine doppelte Metamorphose durchläuft. Ende der siebziger Jahre nämlich erfolgt eine reflexive Brechung, die kritisch mit der ästhetischen Form des Genres umgeht und nach seiner Verstrickung in die Wahrnehmung und Realität des Dargestellten fragt. Zugleich transformiert es sich immer intensiver zu einem »body genre«, in dem eine Darstellung von Kriegsgeschehen über die sinnliche Ansprache des Körpers vermittelt wird.In prägnanten Einzelanalysen spannen die Autoren einen Bogen von Francis Ford Coppolas Apocalypse Now (1979) über Steven Spielbergs Saving Private Ryan (1998) bis hin zu aktuellen Beispielen des Genres, um die ästhetischen Prämissen und kulturellen Resonanzen dieses Wandels bis in die Gegenwart hinein offenzulegen. Wie gehen Kriegsfilme mit Geschichte und traumatischen gesellschaftlichen Ereignissen um? Inwiefern spiegelt sich in ihnen die neue Qualität asymmetrischer militärischer Antagonismen in einer globalisierten Welt? Was schließlich sagen sie über eine Kultur aus, die sich in diesen Filmen Instrumente schafft, um die tödliche Gewalt moderner Militärtechnik, die Grenzen und Entgrenzungen subjektiven Körperempfindens ästhetisch auszutesten – auf der Seite der auf der Leinwand handelnden und leidenden Figuren ebenso wie auf der der Zuschauer im Kino?
Aktualisiert: 2019-10-16
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Normale Krisen?

Normale Krisen? von Link,  Jürgen
„Wo der Verlust von Normalität beklagt wird, da läuten die Alarmglocken unserer modernen Kulturen am schrillsten.“In diesem Band wird die Theorie des Normalismus nicht nur als eine umfassende Archäologie unserer alltäglichen Normalität präsentiert. Er macht auch die Unwahrscheinlichkeit moderner Gesellschaften deutlich und damit die Gefahren greifbar, die sie derzeit bedrohen. Der Normalismus erweist sich als zentrale Regulierungsweise unserer sozialen Welt gerade in der aktuellen großen Krise. Der Finanz- und Wirtschaftssektor infiziert das Soziale, die Kultur und letztlich auch die Psychologie. Gezeigt wird das an einem prominenten Fall: Die „populären“ Bücher von Thilo Sarrazin betrachten die Krisen der Gegenwart durch die Brille einer alten Spielart des Normalismus und öffnen gerade damit einer neuen Spielart des Rassismus die Tür. Kritik der Krise aus der Perspektive des Normalismus wird daher zu einer dringenden theoretischen und politischen Aufgabe.
Aktualisiert: 2022-09-13
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Grenzen der Kultur

Grenzen der Kultur von Ezli,  Özkan
Islam und Christentum sind keine Gegensätze, die als Opposition von Vormoderne und Moderne erfasst werden können. Aber obwohl den fragwürdigen Etikettierungen von Menschen nach Kulturen, Kulturkreisen oder religiösen Traditionen vielfach abgeschworen wird, fehlen bis heute differenzierte Untersuchungen zum Verhältnis von Orient und Okzident.Kulturen mit Verweis auf ihre religiösen Traditionen voneinander abzugrenzen, ist tief in den wissenschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Erzählungen der Moderne verankert – und das nicht nur im Okzident, sondern auch im Orient. Özkan Ezlis Studie zeigt jedoch, dass es fruchtbarer ist, den Strategien der Abgrenzung und den Gründen für Missverständnisse nachzugehen, an denen sich die Horizonte des Kulturellen und damit die Grenzen der Kultur abzeichnen.Dem sowohl in der Literaturwissenschaft wie auch in der Orientalistik vorherrschenden Eindruck, dass der Orient weder Autobiographie noch literarische Reisebeschreibungen kenne, hält der Autor seine literaturwissenschaftlich-kultursoziologische Analyse von westeuropäischen, arabischen und türkischen Texten aus dem 19. und 20. Jahrhundert entgegen. Der Hinweis auf die vorgeblich fehlende Säkularisierungs- und Desakralisierungsgeschichte in der arabischen und türkischen Kultur ist angesichts von historischen Reiseerfahrungen und Bildungserlebnissen bestenfalls noch bedingt zutreffend. Ezlis Lektüren von wichtigen, aber bisher kaum rezipierten Texten machen Modelle von Individuation, Subjekt- und Kulturkonstitution sichtbar, die obwohl sie auf politische Kulturen in Orient und Okzident hinweisen, zugleich so verschieden und komplex sind, dass sie mit den groben Unterscheidungen Islam/Christentum und Moderne/Vormoderne nicht erfasst werden können. Eine neue Konfiguration von Orient und Okzident wird sichtbar.
Aktualisiert: 2022-06-23
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Die Rechtsfabrik

Die Rechtsfabrik von Latour,  Bruno
Die Berufung auf das Recht wird mit jedem Tag wichtiger. Umgekehrt gibt es kaum empirische Untersuchungen darüber, wie juristische Entscheidungen ganz alltäglich zustande kommen. Bruno Latour legt nun eine ebenso erhellende wie anregende ethnographische Studie genau darüber vor, wie das Recht auf seine Weise hervorbringt, was wir »Gesellschaft« nennen. Wegen der strengen Fachlichkeit der Materie bleibt das Recht gewöhnlich den professionellen Juristen vorbehalten. Die Soziologie glaubte sich einer näheren Beschäftigung damit entledigen zu können, indem sie auf Machtverhältnisse verwies, die durch das Recht lediglich verborgen würden. Wie dann aber das Recht analysieren? Man kann sich nicht einerseits außerhalb des Rechts stellen und sich des Jargons der Fachleute enthalten und sich andererseits innerhalb seiner Praxis bewegen, um seine besondere Form der Objektivität und Wahrheit zu erfassen. Bruno Latour entwickelt in seinem Buch hingegen eine ethnographische Methode, die einen behutsamen Ausgleich zwischen distanzierter Beobachtung und engagierter Teilnahme zum Programm macht.Die Rechtsfabrik präsentiert einen spannenden Einblick in das französische Verwaltungsrecht. Latour legt besonderen Wert auf die Schriftstücke, die Erstellung und Handhabung der Gerichtsakten, die Interaktionen zwischen den Mitgliedern des Conseil d’État, die Besonderheiten des Staatsratskollegiums, vor allem aber auch auf die Verschiedenartigkeit der Zuständigkeitsbereiche, die es erlauben, gut zu entscheiden. Mit diesem Buch führt Bruno Latour nach einer Reihe von Untersuchungen zu wissenschaftlichen Laboratorien, technischen Innovationen, zum religiösen Diskurs und zur politischen Rede das Programm einer systematischen Anthropologie zeitgenössischer Formen der Veridiktion fort. Dem Autor ist es hier auf glückliche Weise gelungen, die zahlreichen Verbindungen zwischen dem Recht und jener Gesellschaft neu zu knüpfen, von der es unterhalten wird und der es im Gegenzug Sicherheit bietet.
Aktualisiert: 2023-04-21
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Wissenschaftssprache digital

Wissenschaftssprache digital von Groebner,  Valentin
'Das Zauberwort ist kurz, und einfach auszusprechen: Ein guter wissenschaftlicher Text ist ein Filter. Weil alle Beteiligten nur wenig Zeit zum Lesen haben, setzen sich im Netz die-jenigen Formate durch, die Übersicht verschaffen. Sie lassen das, worum es nicht geht, ein-fach weg. Sie reduzieren, in der Sprache der Ökonomen ausgedrückt, die Informationsge-winnungskosten ihrer Benutzer. Denn bezahlt wird – Sie erinnern sich – in Zeit.' Anbruch einer neuen Ära, Umbruch, Revolution: Die Expansion der digitalen Kanäle wird seit fast dreißig Jahren als radikaler Neuanfang beschrieben. Aber wieso tauchen in den Pro-phezeiungen über die Zukunft nach dem Siegeszug der vernetzten Computer so beharrlich Versatzstücke aus der Vergangenheit auf, die fünfzig, hundert Jahre oder noch älter sind? Voraussagen über die digitale Zukunft sind mit Geschichte kontaminiert. Geht ja nicht an-ders. Offenbar ist ihnen das aber peinlich. Deswegen reden sie so gerne davon, was durch 'das Netz' unwichtig werden wird. Versuchen wir es anders herum. Was ermöglichen einem die neuen Kanäle beim wissenschaftlichen Schreiben, und welches alte Zeug wird durch sie unverzichtbar?
Aktualisiert: 2023-04-21
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Diplopie

Diplopie von Chéroux,  Clément
WAS HABEN WIR VOM 11. SEPTEMBER GESEHEN?Das Attentat auf das World Trade Center war zweifellos das meistfotografierte Ereignis der Mediengeschichte; doch paradoxerweise hat die Presse nur eine sehr kleine Anzahl dieser Bilder in Umlauf gebracht. Die Berichterstattung über das Ereignis auf den Titelseiten der amerikanischen Tageszeitungen beschränkte sich auf sechs Bildtypen, die gerade einmal aus dreißig verschiedenen Fotografien bestanden. Weil ihr Vertrieb von wenigen Konzernen kontrolliert wird, erscheinen die Bilder vereinheitlicht, ihre dokumentarische Bedeutung nimmt ab. Der 11. September macht deutlich, wie sich die Globalisierung auf die fotografische Darstellung des Zeitgeschehens auswirkt.Das Attentat auf das World Trade Center war zweifellos das meistfotografierte Ereignis der Mediengeschichte; doch paradoxerweise hat die Presse nur eine sehr kleine Anzahl dieser Bilder in Umlauf gebracht. Die Berichterstattung über das Ereignis auf den Titelseiten der amerikanischen Tageszeitungen beschränkte sich auf sechs Bildtypen, die gerade einmal aus dreißig verschiedenen Fotografien bestanden. Weil ihr Vertrieb von wenigen Konzernen kontrolliert wird, erscheinen die Bilder vereinheitlicht, ihre dokumentarische Bedeutung nimmt ab. Der 11. September macht deutlich, wie sich die Globalisierung auf die fotografische Darstellung des Zeitgeschehens auswirkt.
Aktualisiert: 2019-10-16
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