Kaum ein anderer dürfte um 1900 innerhalb von 20 Jahren in Niedersachsen so zahlreiche Gaststätten aufgesucht haben wie Hermann Löns (1866 - 1914), der hier entweder berufsbedingt als Journalist und Schriftsteller recherchierte oder bei seinen unzähligen Jagd- und Angelausflügen sowie Radtouren übernachtete.
Als wahrheitsliebender Chronist schilderte er in Essays und Novellen die gemütlichen aber auch die negativen Seiten vor allem des ländlichen Wirtshauslebens im Dorfkrug, dem sozialen Mittelpunkt des Dorfes, oder in den für den beginnenden Fahrrad- und Wandertourismus ausgebauten Landgasthöfen.
Schon vor mehr als 100 Jahren warnte Löns sogar vor dem Verlust tradierter bierkultureller Werte, dem Ende des „alturgemütlichen Kneipenlebens“ und dem Desinteresse der Jugend daran. Er forderte den Erhalt von Traditionsgaststätten in ihrer ursprünglichen Gestalt und warb für die heimischen, niedersächsischen und westfälischen Biere wie das Alt, das Broyhan, das Einbecker (Bockbier), die Hannöversche Lüttje Lage und das Söt (warmes Süßbier), die er allesamt über das Münchner und Pilsener stellte.
Er persiflierte die Biersteuer, Biertouristen, die aus Bayern importierten „Biermamsells“ und einen Hannöverschen „Bierkriegfrieden“ zwischen Biertrinkern, Brauereien und Wirten und formulierte humorvolle Benimmregeln für den Besuch von Bierfesten und wandte sich in Waldwirtschaften gegen "alkoholistisches Biergeheul".
Seine Bier- und Wirtshausgeschichten von 1894 - 1914 und die Gaststättenberichte aus seinen Städteessays ergeben so ein beeindruckendes und umfassendes Bild der niedersächsischen Bier- und Gasthauskultur um 1900 vom Harz bis ins Ammerland, von Osnabrück, Einbeck, Hannover und Celle bis in die Lüneburger Heide, die Löns stets bierlaunig mit viel Humor, Tragikomik und Lebensweisheit geschildert hat.
Löns, dessen Vater in Bochum-Riemke geboren war und dessen Familie im angrenzenden Herne-Eickel im östlichen Ruhrgebiet selbst mehr als 200 Jahre den Gasthof "Löns-Mühle" seit 1736 führte, ist in seiner Münsterschen Studentenzeit durch Professor Hermann Landois, der sich gerne mit einer Bierflasche „krönte“, zum Alkohol gekommen, trank in der "Stadt der reinen Gemütlichkeit" am liebsten aus dem „Bullenkopp“ und sah der „Altbier-Prüfungskommission“ zu. In Göttingen war er Mitglied des berüchtigten studentischen „Klub der Bewußtlosen“, der den „Teufelsleck“ bevorzugte.
Löns selbst hatte zeit seines Lebens ein zeitlich stets differenziertes Verhältnis zum Alkohol und zu Kneipenbesuchen. So konnte er jahrelang abstinent sein und trank selbst im Wirtshaus dann nur Kaffee und Selterswasser. Anderseits schätze er seinen Stammtisch in Hannover und genoss gerne Warm- und Dünnbier in einer gemütlich-geselligen Gasthausatmosphäre, aber er trank in depressiven Lebensphasen in Bückeburg und Wiesbaden auch so viel, dass er manchmal tagelang arbeitsunfähig war und dadurch seinen Job verlor.
Unter seinem zeitweiligen übermäßigen Alkoholkonsum hat Löns selbst am meisten gelitten, sodass er die Warnung davor auch in seinen ersten beiden Romanen 1909 sowie einigen Novellen und sogar Gedichten eindrucksvoll belletristisch umgesetzt hat.
So hatte er ebenfalls schon richtig erkannt: „Es gibt überhaupt nichts, was im Übermaß nicht schädlich wäre. Alkoholismus ist eine Krankheit, weiter nichts, Symptom einer Willensschwäche, Mangel an Hemmungen.“
Auch mit seinem alkoholischen Lebensfazit „Das Kneipensitzen macht nur faul, dumm und krank“ hat Löns schon vor 100 Jahren ein aktuelles Trinkmotto vorweggenommen: "Bier bewusst genießen!"
Inhalt :
Hermann Löns – Chronist der niedersächsischen Bier- und Wirtshauskultur um 1900
Löns als Bierstudent in Greifswald und Göttingen
Hermann Löns in den Altbierküchen von Münster, der "Stadt der reinen Gemütlichkeit" um 1890
Löns´ Gasthauserlebnisse 1903 im Salzburger Land
Das Einbecker
Alturgemütliches Osnabrück
Hannöversches: Biersteuer, Bierkrieg & die Lüttje Lage
Niedersächsische Wirtshäuser um 1900
Löns´ Alkoholabsturz in Bückeburg 1909
Wirtshauslyrik
Löns als "Dichter der Heideschenken" 1905 - 1913
Hermann Löns als Anti…
Von Hermann Löns häufig besuchte Gaststätten
Literatur
Aktualisiert: 2021-06-24
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Erstmals werden die tragischen Seiten von Hermann Löns (1866 - 1914) in seinem letzten Lebensjahrzehnt von 1904 - 1914 aus seinen Schriften und Briefen dieser Zeit umfassend dokumentiert.
Wenn auch schon 1904 „die drei Mündungen seiner Waffe ihn angrinsten“, führte doch erst die Arbeitsüberlastung in Bückeburg und die unglückliche Liebe zu seiner 20 Jahre jüngeren Kusine Hanna Fueß 1909/10 zu Depressionen und Frustration, die er, obwohl vorher mehrere Jahre völlig enthaltsam, nun auch im Alkohol bis zur „Arbeitsunfähigkeit“ zu kompensieren versuchte.
Nachweislich ist belegt, dass Löns nach 3-jähriger Abstinenz als Antialkoholiker nach Bückeburg kam, erst dort aufgrund beruflicher und gesellschaftlicher Zwänge wieder regelmäßig Alkohol trinken musste, alkoholische Geschenke von seinem Arbeitgeber erhielt, später dann oft frustriert und deprimiert noch mehr Alkohol trank und Bückeburg als alkoholkranker Mann verließ.
Nach mehreren Nervenzusammenbrüchen musste sich Löns im Frühjahr 1910 im Sanatorium in Bad Zwischenahn, wo ihm eine „starke Blutarmut und eine beträchtliche Nervenüberreizung“ diagnostiziert wird, auskurieren. Dort erlebte er jedoch auch wieder die gemütlichen und geselligen Seiten des Wirtshauslebens, die ihn dann zu zahlreichen Erzählungen inspirierten.
So produktiv er seit dem Sommer 1910 mit neuen Novellen und Liedern auch wieder in Hannover war, von dem schwersten Schlag seines Lebens, der Zerstörung seiner Familie durch das Verlassenwerden von Frau und Kind am 27. Juli 1911, erholte er sich nie.
Auf rastlosen Reisen 1911/12 im deutschsprachigen Ausland als „Hermann Heimlos“ „muß er sich Tag für Tag zwingen, um die Selbstmordgedanken los zu werden“, sodass er sich „am liebsten beerdigen ließe“.
Seit dem Sommer 1912 gibt ihm seine neue Lebensgefährtin, die 22-jährige Ernestine Sassenberg, zwar psychische Stabilität, doch ständig kränkelnd und erkältet, findet der 46-jährige Löns kein dauerhaftes Lebensglück, sodass er lebenslang „die Sehnsucht danach in Dichtung umsetzt“.
Seine Briefe und die oft autobiographisch geprägten Natur-, Jagd- und Tiernovellen dieser Zeit kann man nur mit tiefer Erschütterung lesen, wie schlecht es ihm in den letzten Jahren seines Lebens gegangen ist.
Löns war real tatsächlich einer der Menschen, die er in seinen Romanen gezeichnet hat und „die mit sich selber und dem was man Schicksal nennt, den Kampf aufnehmen“.
Er selbst reflektierte sich als „Sehnsuchtsmensch“, für den „Künstler sein keine Gnade, sondern eine Strafe ist“ und der „sich bescheiden muss und froh sein könne, bleibt er nicht ganz neben dem Leben liegen“.
Erst Anfang 1914 scheint er seine jahrelange Krisis überwunden zu haben und trinkt auch keinen Alkohol mehr, da „das Kneipensitzen nur faul, dumm und krank macht“.
Der bis zu seinem Soldatentod am 26. September 1914 nur kurze Fronteinsatz im 1. Weltkrieg war für ihn dann wohl die Gelegenheit, die Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben in der aktiven und scheinbar sinnstiftenden Teilhabe in einem großen Lebensereignis von nationaler Bedeutung zu externalisieren. Der jahrelange Krieg in ihm selbst fand so seinen Notweg in dem Ausbruch eines realen Krieges.
Denn schon seit dem Sommer 1910 und besonders seit der Trennung von seiner Familie am 27. Juli 1911 war Löns nicht mehr derselbe, sodass als Zäsur in seinem Leben eine massive Persönlichkeitsveränderung, ein anderer Löns, mit einem anderen, einem zweiten Gesicht, mit gravierenden Folgen für seine Psyche und sein literarisches Schaffen attestiert werden kann.
Aus seiner eher pazifistischen Einstellung wird offene Kriegsbegeisterung und aus seiner ursprünglich verinnerlichten Heimatliebe wird lauter Hurrapatriotismus mit deutlicher Betonung der eigenen „Rasse“. Aus seinem schon konservativen Frauenbild wird oftmals direkte Frauendiskriminierung.
Löns´ großes Talent für die Kurzprosa ist, wenn auch mit deutlich weniger humorvollen Texten, erhalten geblieben. So hat er hat nach 1911 zwar noch einige sehr bedeutende Novellen geschrieben, doch meistens ältere Motive – wenn auch stets originell – oft nur noch variiert.
Aus dem dunklen Schatten von Löns´ tragischem Lebensschicksal strahlt jedoch bis heute vorbildlich als sein Ideal das belletristische Gesamtwerk mit mehr als 550 Erzählungen, 4 Romanen und mehr als 500 Gedichten und Liedern hell hervor.
So verdient Löns Bewunderung und Respekt, dass er, entweder trotz oder sogar nur aufgrund seiner tragischen persönlichen (und wohl auch genetischen) Disposition sein Leben doch irgendwie gemeistert hat, er ein derart umfang-reiches und bedeutendes literarisches Werk schaffen konnte und selbst in seiner größten Lebenskrise noch so viel Schönes von bleibendem Wert kreiert hat.
Hermann Löns´ Bescheidenheitsethos, sein ökologisches Bewusstsein, seine Gesellschaftskritik und sein Engagement für Naturschutz und nachhaltige Entwicklung schon vor mehr als 100 Jahren sollte uns heute mehr denn je Vorbild für unser eigenes Handeln sein.
Auch dass Löns es geschafft hat, seine jahrelangen Depressionen und Suizidabsichten durch kreatives Schaffen zu überwinden, sollte jedem, der sich einmal kurzzeitig in einer psychischen Ausnahmesituation befindet, in der sich Löns fast sein ganzes Leben befand, Hoffnung machen. Denn so schlecht, wie es Hermann Löns gegangen ist, kann es einem gar nicht gehen.
Aktualisiert: 2021-07-08
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Vor 110 Jahren am 15. November 1910 erschien Hermann Löns (1866 - 1914) später mit mehr als 1,1 Millionen verbreiteten Exemplaren erfolgreichster Roman, „Der Wehrwolf. Eine Bauernchronik“.
Der zu Lebzeiten Löns´ euphorisch rezensierte „Wehrwolf“ wurde als „einzigartiges neues und zukunftsträchtiges historisches, realistisches, kraftvolles und inhaltlich überzeugendes Kunstwerk“ und als „ein modernes deutsches, männliches, antidekadentes, originales Volksepos“ u.a. von Hermann Hesse gewürdigt.
Nach Löns´ Soldatentod am 26. September 1914 beginnend im 1. Weltkrieg wurde der historische Roman über den 30-jährigen Krieg zunehmend politisch instrumentalisiert, wofür der innerlich zerrissene Löns, der 1909 noch parteipolitische und religiöse Tendenzen des Romans verneint hatte, durch 1912 und 1914 getätigte martialische Aussprüche eine Mitverantwortung trägt.
Das 50. Jubiläumstausend Ende 1918 wurde hingegen vom Verlag noch als pazifistisches Buch auf „Friedensbütten“ angepriesen.
Doch von 1923 - 1933 bezeichnete sich sogar ein nationaler antidemokratischer, staats- und verfassungsfeindlicher Wehrverband als „Wehrwolf“, sang „Wehrwolflieder“, organisierte eine „Wehrwolfhilfe“, baute Wehrwolfheime“ und einen „Wulfshof“ und missbrauchte Löns´ Sinnsprüche.
Biographen und Löns´ jüngster Bruder Ernst Löns schrieben den Romantitel zu dieser Zeit deshalb auch konsequent ohne „h“ als „Werwolf“.
Doch auch eine parteiunabhängige Jugendorganisation, der Jungnationale Bund, der 1934 Widerstand gegen das NS-Regime leistete, benannte seine Verbandszeitschrift als „Wehrwolf“.
Der auch von einigen Künstlern wie Walter Klemm, Hermann Rothgaengel, Elisabeth Voigt und Hans Pape illustrierte „Wehrwolf“ wurde von Käthe Kollwitz und ihrer Meisterschülerin Elisabeth Voigt als Antikriegs- und Frauenroman geschätzt und entwickelte sich in der Weimarer Republik zu einem Bestseller mit einer Gesamtauflage bis 1932 von fast 400.000 Exemplaren.
Seit den 1920er Jahren wurde das Wehrwolf-Motiv in neuen Romanen über den 30-jährigen Krieg wie von Will-Erich Peukert und Friedrich Griese sowie auch in eine andere Kriegszeit verlegte wie von Ernst Schmitt und Josefa Berens-Totenohl plagiiert. Letztere machte in ihrem Doppelroman 1934/35 über „Der Femhof“, der eigentlich „Wulfshof“ heisst und von einer Art Ahnherrin des Harm Wulf, der Magdlene Wulf, geführt wird, deutliche wehrwölfige Anleihen an Löns ohne auch nur in die Nähe seines literarischen Niveaus zu reichen.
Im NS-Regime wurde der Wehrwolf wie auch Löns selbst, der 1935 sogar noch vorsätzlich als Jude „verleumdet“ wurde, zunächst sehr ambivalent und äußerst kontrovers beurteilt, sodass ein mit Unterstützung durch Walther Darré geplanter Wehrwolf-Film von Goebbels Ende 1934 noch verboten wurde. Trotzdem schaffte der „Wehrwolf“ es durch Protegierung einflussreicher Löns-Bewunderer 1934 wie Alfred Rosenberg und den Reichserziehungsminister Bernhard Rust in die „Liste der ersten hundert Bücher für nationalsozialistische Büchereien“.
Löns´ Symbol und das der fiktiven Wehrwölfe im Roman, die jahrundertealte Wolfsangel, fand schon seit 1923 eine weite Verbreitung u.a. in Jugendverbänden und Sportvereinen und wurde seit 1933 für die Deutsche Kinderschar, Wehrmachts- und SS-Einheiten verwendet.
Erst 1936 fand der „Wehrwolf“ auch Eingang in den NS-Schulunterricht und seit 1941 wurde er dann in zahlreichen Sonderausgaben (u.a. einer „Dr. Goebbels-Spende für die deutsche Wehrmacht“) verbreitet, folgte den Eroberungszügen der Wehrmacht in den besetzten Gebieten nach und avancierte so im 2. Weltkrieg zum meistgelesenen und meistübersetzten deutschen Roman in Europa.
Obwohl eher als ein Widerstandsroman gegen das ähnlich wie die Soldateska im 30-jährigen Krieg entmenschlichte NS-Regime geeignet, sollte der Roman seit Herbst 1944 mit zusätzlichen Sonderausgaben vom SS-Wirtschaftshauptamt, der „Organisation Todt“ und der NSDAP-Parteikanzlei – völlig irrational – auch noch zur Durchhaltelektüre im Bombenkrieg an der Heimatfront dienen.
Zum Kriegsende im April 1945 führte Löns´ „Wehrwolf“ dann noch zur Verwechslung mit der im September 1944 gegründeten SS-Mordorganisation „Werwolf“ – was von den Nationalsozialisten noch Anfang 1945 gar nicht beabsichtigt gewesen war.
Heute hat der „Wehrwolf“ sogar eine transhistorische Bedeutung als der in 3 deutschen Staatsformen mit Kaiserreich, Republik und Diktatur sowie 2 Weltkriegen erfolgreichste deutsche Roman und ist nicht zuletzt auch aufgrund der unzähligen, zeitereignisbedingt höchst unterschiedlich gestalteten Buchausgaben ein beeindruckendes zeitgeschichtliches Zeugnis, wie nicht nur die stets systemimmanente Rezeption des Romans, sondern ebenfalls seine Buchkunst die wechselvolle deutsche Geschichte von 1910 - 1945 widerspiegelt.
Aktualisiert: 2021-12-29
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Erstmals wird eine umfassende Dokumentation und Analyse von Hermann Löns´ wohl bis heute am meisten unterschätzten Romans „Dahinten in der Haide“, den er vom 7. - 21. Mai 1909 schrieb und der im Juli 1910 als Buch veröffentlicht wurde. präsentiert.
In keinem anderen Roman hat Löns sich selbst und das Wunschbild, das er von sich und seinem Leben hatte, so offen und detailliert dargestellt wie hier in der Figur des Dr. Lüder Volkmann, der auf den Hof seiner Vorfahren in Riethagen südlich von Walsrode zurückkehrt.
Die von ihm seit Jahren in Essays und Zeitungs-Feuilletons formulierte Gesellschaftskritik am „Konsumzeitalter“, an der „Asphaltkultur“ der Großstadt, an der Industrialisierung der Heide und der Verhunzung der Landschaft, Vorschläge zur Lebensreform eines naturgemäßen Lebensstils mit Konsumverzicht und Bescheidenheitsethos, aktivem Natur- und Landschaftsschutz, die Jagd als mögliches Mittel für den Großstädter, um zur Natur zurückzufinden (womit Löns sich jedoch irrte), sowie das bäuerliche Leben als utopischer Lebensentwurf auch für den Stadtbewohner, hat Löns erstmals umfassend in „Dahinten in der Haide“ belletristisch umgesetzt.
Zu Lebzeiten Löns´ war „Dahinten in der Haide“ mit einer Auflage von 14.000 Exemplaren sein meistverkaufter Roman und bis in die frühen 1920er Jahre zählte er immer noch zu den beliebtesten Titeln von ihm.
1936 wurde „Dahinten in der Heide“ unter dem Buchtitel recht verfremdend verfilmt, sowie 1917 und 1940 - 1942 als Feldausgabe für die Soldaten weit verbreitet, wenn der Roman auch vom NS-Regime nicht geschätzt wurde, und 1943 im Gegensatz zu anderen Löns-Titeln der kriegsbedingten Papierkontigentierung zum Opfer fiel.
1964 wurde der Roman bei einer Gesamtauflage von ca. 300.000 Exemplaren ein letzte Mal von seinem Ursprungsverlag Sponholtz herausgegeben und nach 1995 wird er nicht mehr im Verzeichnis lieferbarer Bücher aufgeführt und dürfte im 21. Jahrhundert sogar Löns-Freunden unbekannt geworden sein.
Löns selbst schätzte „Dahinten in der Haide“ als übereilt in Druck gegebenes „Siebenmonatskind“ nicht sehr, obwohl es ihn beim erneuten Lesen sogar zu Tränen rührte.
Rezensenten lobten den Roman in den 1920er Jahren hingegen als den „tiefempfundensten von Löns“, als „eine der sonnigsten Schöpfungen von Löns“ und als „das gesündeste Werk von Löns, dem noch eine bedeutende Wirkung zuzutrauen“ sei.
Denn Löns´ Sehnsucht nach einem naturgemäßen, genügsamen Leben auf dem Land sowie seine frühe Kritik an der Großstadt mit ihrer oberflächlichen Talmi- und Pseudokultur sowie der landschaftszerstörenden Ölindustrie bei Wietze in der Heide (Fracking), sind heute aktueller denn je, wobei der Roman immer noch durch seine erstaunliche Sprachkunst mit der gelungenen Integration bäuerlicher Redewendungen und tradierter Sinnsprüche besticht.
„Dahinten in der Haide“ ist zwar keine Blaupause für einen allgemein gültigen möglichen utopischen Lebensstil, sondern soll als Grüne Utopie eher Mut machen und optimistisch stimmen, dass ein jeder es selbst in der Hand haben kann, sein Leben durch ein ökologisches Bewusstsein ganz individuell naturgemäß umzugestalten und durch eine genügsame und ganzheitliche Lebensführung glücklich zu werden. Löns´ indirekte Maxime des Romans ist denn auch: Lebensglück durch Konsumverzicht.
Aktualisiert: 2021-03-11
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Vor 110 Jahren schrieb Hermann Löns seinen später mit mehr als 1,1 Millionen verbreiteten Exemplaren erfolgreichsten Roman „Der Wehrwolf“, dessen Manuskript er am 20. November 1909 abgeschlossen hatte.
„Wehrwolf“ ist ein 1909 von Hermann Löns kreiertes kompositorisches Kunstwort für den, in dem 1910 erschienenen gleichnamigen Roman, aufgeführten fiktiven Bauernführer Harm Wulf (= Wolf), der sich im 30-jährigen Krieg 1623 - 1648 in der Heide westlich von Celle in einer Selbstschutzorganisation mit dem ebenso fiktiven Namen „Wehrwölfe“ zum Schutz der Höfe und Familien gegen gegen die Grausamkeiten der Soldaten und Marodeure zur Wehr setzt.
Ihr Symbol ist eine seit dem Mittelalter real als Hausmarke genutzte, aufrechtstehende Wolfsangel ohne Querstrebe, die in Bäume eingeritzt wird, sowohl als Warnzeichen vor einer versteckten Wolfskuhle, als auch zur Mahnung an Birken, an denen sie die Verbrecher aufhängten.
Erstmals wird nun die teilweise dramatische Entstehungsgeschichte des Romans 1904 - 1909, der bei Löns zu einem Nervenzusammenbruch führte, mit zahlreichen Faksimiles aus dem Originalmanuskript, das Löns in nur 3 Wochen seit dem 1. November 1909 in Bückeburg fertigstellte, durch persönliche Briefe und Aussagen dabei involviert gewesener Personen umfassend beschrieben.
Die Verlagsgeschichte 1909/10 wird durch den umfangreichen Briefwechsel mit seinem Verleger Eugen Diederichs dokumentiert und novellistische Vorarbeiten sowie lokalgeschichtliche Einflüsse werden untersucht.
Der Ursprung des Wehrwolf, der in Löns´ Jagdgebiet um den Wietzenbruch spielt, fällt in das Jahr 1904 mit seinen Aufenthalten im Bebertal bei Barbis und Scharzfeld im Südharz, einem seit dem Bauernkrieg um 1413 entvölkerten Landstrich. Als auslösendes Momentum gilt hingegen der Besuch des Ringwalls in Burg bei Altencelle mit Hanna Fueß, der `Muse des Wehrwolf´, am 1. Oktober 1909.
Literarische Einflüsse konnten neben den bisher bekannten von Grimmelshausen, Willibald Alexis und Gustav Freitag auch in Romanen 1906 - 1909 von Luise Reischauer, Lulu von Strauß und Torney sowie Bruno Wille ausgemacht werden.
Doch hatte „Der Wehrwolf“ kein literarisches Vorbild und steht bis heute einzigartig in der deutschen Literatur da, wenn auch der belesene Löns bewusst oder unbewusst einigen Werken Inspirationen zu verdanken hat.
Zudem wurden wichtige Aussagen von Löns selbst über den Wehrwolf recherchiert, den er als historisches „Zeitbild und seelische Entwicklung eines Bauern“, der die „Erklärung für die rücksichtslose Härte und schonungslose Selbstsucht des deutschen Bauerntums“ geben sollte, charakterisierte, sodass er schon im November 1909 an seinen künftigen Verleger geschrieben hatte: „Parteipolitische und religiöse Tendenzen enthält der Roman nicht.“
Aktualisiert: 2021-02-06
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Erstmals werden die visionären Antizipationen von Löns´ in seinem Gesamtwerk seit 1890 zu negativen gesellschaftlichen, politischen und ökologischen Entwicklungen, von denen er zahlreiche oft satirisch, aber dennoch recht prophetisch und gesellschaftskritisch für die Mitte des 20. Jahrhunderts und das frühe 21. Jahrhundert vorausgesehen hat, umfassend analysiert.
Mit seiner frühen Kritik am „Konsumzeitalter“ und dem profit- und konsumorientierten American way of life sowie seinen Maximen „Zukünftig wird es nicht mehr darauf ankommen, daß wir überall hinfahren können, sondern ob es lohnt, dort noch anzukommen“ und „Die Natur ist unser Jungbrunnen; schwächen wir sie, so schwächen wir uns, morden wir sie, so begehen wir Selbstmord“, ist Löns heute aktueller denn je.
Drüber hinaus werden auch seine 15 utopischen Texte aus Hannoverschen Tageszeitungen abgedruckt, die teilweise wie auch 2 satirische Zeichnungen mutmaßlich von Löns erstmals nach nun 120 Jahren wiederveröffentlicht werden.
Aus dem Inhalt:
Hermann Löns – der Utopist als Prophet
Frühe utopische Lyrik
Utopische Humoresken 1894 – 1903
Essays zur utopischen Literatur (Jules Verne, H. G. Wells)
Ökologische Antizipationen 1903 – 1913
Späte Utopien 1908 – 1914
Hermann Löns als „Künder des III. Reiches“?
Aktualisiert: 2021-08-12
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Kommentierte Bibliographie mit dem Erstveröffentlichungsjahr und dem Bucherstabdruck sämtlicher 540 Erzählungen von Hermann Löns mit Abbildungen sämtlicher Buchcover 1901 - 2020 und ausgewählten Textabbildungen der zu Lebzeiten erschienenen Buchausgaben bis 1914
Aktualisiert: 2021-02-06
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Inhalt:
Der missbrauchte Löns
Vorspuk: Der Wehrverband „Wehrwolf“
Hermann Löns, die Wolfsangel und das Hakenkreuz
Hermann Löns im Spiegel „seines“ Gedenkbuches
Hermann Löns und Walther Darré
Hermann Löns und Alfred Rosenberg
Hermann Löns und Bernhard Rust
Hermann Löns und Joseph Goebbels
Hermann Löns und Adolf Hitler
Hermann Löns und Hermann Göring
„Kraft durch Freude“ mit Hermann Löns
Hermann Löns und Heinrich Himmler
Nachspuk: „Der Wehrwolf“ im Weltkrieg
NS-Mythos Löns
Aktualisiert: 2021-02-06
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Rudolf Martin hat in seinem Zukunftskriegsroman "Der Weltkrieg in den Lüften" 1909 den 1. Weltkrieg für das Jahr 1916 antizipiert mit einem erfolgreichen Blitzkrieg Deutschlands und Österreich-Ungarns gegen Frankreich, England und Rußland.
Diese seinerzeit nur in 2000 Exemplaren aufgelegte, heute extrem seltene Kriegsutopie wird jetzt erstmalig nach 110 Jahren als ein bemerkenswertes Zeitdokument wiederveröffentlicht, wie seinerzeit die militärischen und politischen Eliten in Deutschland von der Machbarkeit eines deutschen Blitzsieges in einem als unvermeidbar angesehenen Weltkrieg überzeugt waren, und kann heute als ein Alternativweltroman gelesen werden, in dem Deutschland den 1. Weltkrieg gewonnen hat.
Damit liegt das (flug)utopische Werk von Rudolf Martin 1906 - 1910 jetzt komplett in 4 Bänden vor.
Kapitelübersicht:
1. Der neue Kanzler
2. In Friedrichshafen
3. Das Bombardement von Paris
4. Die große Luftschlacht
5. Durch die Sperrforts
6. Im Sommer 1916
7. Die Drachenflieger von Le Mans
8. Vor der Entscheidung
9. Englands Seeherrschaft wankt
10. Die Landung einer deutschen Armee in England
11. Die große Seeschlacht
12. Die große Landschlacht
13. Die Eroberung Londons
Nachwort zu "Der von Rudolf Martin 1909 auf das Jahr 1916 projektierte Weltkrieg - eine realistische Antizipation des 1. Weltkriegs?"
Aktualisiert: 2021-02-06
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Jules Verne und Conan Doyle gelten als die Begründer des Lost World Genres, wobei vergessen wird, dass neben Mor Jokai und W. A. Obrutschew auch die deutsche Literatur dazu einige originelle Beiträge verfasst hat, die hier erstmals umfangreich analysiert werden.
Aus dem Inhalt:
Jules Verne und die Genese des Lost World Genres 1864
F. W. Mader und die ersten deutschen Lost World Romane
Kurd Laßwitz´ Saurierwelt ohne Menschen
Conan Doyle – das Genre bekommt Namen und Höhepunkt
Das Lost World Motiv in der deutschen Kurzprosa um 1910
Maders Epigonen Friedrich Thieme und Egon von Kapherr
Die Lost World wird auf der Venus wiedergefunden
Die 1930er Jahre – das Genre vom Aussterben bedroht
Saurischer Ausblick im 21. Jahrhundert
Aktualisiert: 2021-02-06
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Dass Hermann Löns (1866 - 1914) in seinem von 1888 - 1914 aus 530 Novellen und 4 Romanen geschaffenen Prosawerk sich vor allem in seinen frühen Werken auch stark dem phantastischen Genre zugewandt hat, ist nur wenig bekannt. So hat er tradierte Sagen- und Märchenmotive in seinen zeitgenössischen Novellen mit aktuellen Tagesereignissen verknüpft und auch in den Romanen verwandt sowie unheimliche und moderne Sagen, Volks- und Kunstmärchen und atmosphärisch dichte Spukgeschichten verfasst. Selbst Kurzutopien und Science Fiction, so eine asexuelle Dystopie und eine Kolonialutopie, hat er geschrieben und sich essayistisch mit den SF-Klassikern Jules Verne und H. G. Wells befasst.
Löns´ unheimlichste Erzählungen sind dabei mit Gespensterfrauen und Geisterbräuten, einem Teufel in Fledermausgestalt, lebendigen Göttern aus der germanischen Mythologie, versteinerten und verfluchten Menschen, Tückefrauen, Wasserweibern, Brand-, Moor-, Quell- und Heidehexen und grausig verunstalteten Untoten bevölkert.
Doch brachte er auch auf die Erde wiederkehrende Hünen, die erfolgreich gegen Umweltverschmutzung mobil machen, sowie humorvolle, liebreizende Wichtel- und Frühlingsmärchen.
Insgesamt präsentierte er zahlreiche heimliche und unheimliche Gestalten aus Moor und Heide, aber auch Wald und Wiese, frei nach dem Tieck´schen Motto, dass selbst die schönste Gegend Gespenster hat.
Dies wird erstmals umfangreich analysiert und Hermann Löns als vergessener Klassiker der Phantastischen Literatur ausgewiesen. Denn Hermann Löns war dank seiner schriftstellerischen Begabung und seines Engagements im Naturschutz ein Mensch mit viel Licht, aber in seinem Privatleben auch mit viel Schatten, sodass die von ihm oft dargestellte Nachtseite der Heide auch stets seine eigene war.
Aktualisiert: 2021-02-06
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Ob Elektromobilität, kostenloser Öffentlicher Personenverkehr, regenerative Energien, Sonnen- und Wasserstoffmotor, Klimaschutz, umweltfreundliche Industrien, vegetarische Ernährung, extensive Landwirtschaft, Tierschutz sowie Konsumverzicht und eine naturgemäße Lebensweise – alles, was heute längst als bedeutende Bausteine für eine nachhaltige Entwicklung der Menschheit und der ökologischen Zukunftsfähigkeit des Planeten Erde erkannt worden ist, wurde schon um 1900 in Dresden, der damaligen, durch die Lebensreformbewegung etablierten Hauptstadt der Nachhaltigkeit, in den technischen Utopien von Friedrich Eduard Bilz (1842 - 1922) und Oskar Hoffmann (1866 - 1928) teilweise als irdisches Zukunftsspiegelbild auf dem Mars antizipiert.
Die mehr als 100 Jahre alte Botschaft der beiden Dresdener Schriftsteller, die jetzt erstmalig als Begründer einer ökologischen Science Fiction wiederentdeckt werden, ist dabei aktueller denn je, dass die Lösung der irdischen Probleme nicht auf anderen Planeten oder in der Raumfahrt zu suchen ist und dass, wer sich von der Natur entfremdet, keine Zukunft haben wird.
Inhalt:
Deutsche Zukunftsstädte um 1900
Die Lebensreformbewegung um 1900
Dresden 1907 – Erfindung der Nachhaltigkeit?
Friedrich Eduard Bilz´ Naturparadies auf Erden
Oskar Hoffmanns irdischer Zukunftsspiegel auf dem Mars
Nachhaltige Zukunfts- und Mobilitätsentwürfe anno 1900
Aktualisiert: 2022-03-08
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Science Fiction anno 1900 war die Literatur des technischen Zeitalters, die eine goldene Zukunft durch neue, ans Wunderbare grenzende Erfindungen und wissenschaftliche Errungenschaften postulierte.
So waren es nur einige wenige Visionäre, die schon vor 100 Jahren davor gewarnt haben, dass die künftige Technik nicht nur eine heilsbringende Wirkung, sondern Technikmissbrauch, technisches Versagen, Automatisierung und technische Gigantomanie tödlich für den Menschen oder sogar apokalyptisch für die gesamte Menschheit sein könnten.
Wurden in der frühen Science Fiction Ingenieure als die Heroen des technischen Zeitalters, oft geradezu als Erlöserfiguren verherrlicht, sind es in der technikpessimistischen vornehmlich Chemiker, die in der Nachfolge des Dr. Faust nun als fanatische Mad Scientists Unheil und Verderben über die Menschheit bringen.
Ob der Weltuntergang aus der Retorte, eine globale Ölpest, die Machtübernahme durch intelligente Maschinen, außer Kontrolle geratene Eisenbahnen und Automobile, Lebensenergie raubende Maschinen, tödliche Androiden, die Automatisierung der Gesellschaft – die Antizipationen von damals sind tatsächlich die Probleme von heute.
Inhalt
1891 Friedrich Meister Die unheimliche Maschine
1892 Ferdinand Groß Automatopolis
1903 Anton O. Klaußmann Das Ende der Luftschiffahrt
1903 Gustav Meyrink Petroleum – Petroleum
1907 Otto Grautoff Die Automatenfrau
1907 K. H. Strobl Der Triumph der Mechanik
1909 Carl Grunert Mr. Infrangibles Erfindung
1912 Carl Grunert Die Maschine des Theodulos Energeios
1911 Oskar Hoffmann Ypsilons Gefrorene Elektrizität
1911 Fritz Müller-Partenkirchen Briketts
1913 Fritz Müller-Partenkirchen Die Maschine
1913 Fritz Müller-Partenkirchen Es wird einmal sein …
1913 H. H. Schmitz Das neue Auto
1912 Hermann Eßwein Das Bekenntnis des Dr. Webelhorst
1913 Fritz von Briesen Das Ende der Welt
1914 Max Pollaczek Der Gefangene der neuen Urwelt
1914 Herbert Frank Die Wunder der geheimnisvollen Insel
Aktualisiert: 2022-03-08
Autor:
Fritz von Briesen,
Hermann Eßwein,
Otto Grautoff,
Ferdinand Groß,
Carl Grunert,
Oskar Hoffmann,
Anton Otto Klaußmann,
Friedrich Meister,
Gustav Meyrink,
Fritz Müller-Partenkirchen,
Detlef Münch,
Max Pollaczek,
Hermann Harry Schmitz,
Karl Hans Strobl
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Mit 30 von 1903 - 1914 publizierten SF-Novellen war Carl Grunert (1865 - 1918) der produktivste Verfasser von SF-Kurzprosa zur Kaiserzeit. Mit ihm beginnt die moderne deutsche SF-Kurzgeschichte, die er als geeignetes Mittel literarisch etabliert und popularisiert hat, um in kurzer und knapper Form über die Zukunft des Menschen und im speziellen über den Kontakt mit Außerirdischen, über mechanisch veränderte Menschen, über künftige Erfindungen vor allem in der Telekommunikation und über die Zukunft der Liebe zu spekulieren.
Zwar haben schon zahlreiche andere Autoren vor Grunert SF-Kurzprosa geschrieben, doch erst Grunert hat die bis heute verwendeten typischen Topoi der modernen SF wie First Contact, Alien Love, Kidnapping durch Außerirdische, Extraterrestrische Spione und Raumschiffbrüchige, Röntgen-, Strahlungs- und Zeitphänomene, Cyborgs und Kriegsroboter in der Kurzgeschichte gebracht.
Sein komplettes SF-Kurzprosawerk wird umfassend, auch unter Berücksichtigung der Epigonen-Novellen von Hermann Dreßler (1882 - 1925), bibliographisch erfasst, biographisch analysiert und im zeitgenössischen Genrekontext bewertet.
Aktualisiert: 2021-02-06
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Die einzige ganzheitliche Utopie der Lebensreformbewegung von 1907 ist ein Musterbeispiel der frühen deutschen Science Fiction.
Ein Roman für Alle, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Menschheit durch eine globale nachhaltige Entwicklung doch noch ihren Planeten für die kommenden Generationen retten wird, wozu einer Europas bedeutendster Lebensreformer um 1900, F. E. Bilz (1842 - 1922), dessen Naturheilkundebuch in einer Auflage von ca. 5 Millionen Exemplaren verbreitet wurde, schon 1907 gangbare Wege aufgezeigt hat.
Und:
Ein Roman für Alle, die die klassische deutsche Science Fiction lieben mit Antigravitations-Flugmaschinen und telekinetisch begabten Marsmenschen, die die Erdschwere aufheben können und ohne Raumschiffe körperlos interplanetarisch reisen, um sich dann auf anderen Planeten wieder zu rematerialisieren, und die die Menschheit in einer "intellektuellen Invasion" im Jahre 2048 zu einer naturgemäßen Lebensweise führen.
Im Jahr 2048 haben sich die europäischen Staaten mit den USA zu einem Friedensbund zusammengeschlossen, alle Menschen sind gleichgestellt, finden einen Lebensabschnittspartner auf Heiratsmärkten, arbeiten nur noch täglich 3 Stunden und haben ein ausreichendes Grundeinkommen. Tiere sind gesetzlich geschützt und die Ernährung ist ausschließlich vegetarisch. Es gibt eine einheitliche Weltsprache und -schrift und nur noch eine Weltreligion. Man geht stets barfuß und leichtbekleidet und wird dank einer naturgemäßen Lebensweise und einer praktizierten Naturheilkunde durchschnittlich 100 Jahre alt.
Das Wetter kann manipuliert werden, die Sahara wurde bewässert und ist eine Seenlandschaft, Eisenbahnlinien führen in Unterwasser-Tunneln vom Kontinent zu England und durch den Atlantik zu den USA.
Doch erst der telegraphische Kontakt mit den Marsianern führt dank deren Errungenschaften zu einer nachhaltigen Umgestaltung der Erdgesellschaft mit einem Schutz der Wälder und der Reinhaltung der Luft, sodass eine neues Verkehrszeitalter mit Antigravitations-Flugmaschinen und eine „kohlenlose Zeit“ anbricht, regenerative Energien wie die Wasser- und Windkraft genutzt werden und die bereits auf dem Mars verwirklichten Sonnen- und Gezeitenkraftwerke auch auf der Erde zu einer Elektrifizierung der Welt führen und sich die Menschheit in einem Weltstaatenbund zusammenschließt.
Bilz setzt in seinem Roman konsequent die Überzeugung aus seinem Sachbuch "Der Zukunftsstaat" von 1904 belletristisch um: „Die Menschen müssen unter Vormundschaft gestellt werden. Wenn die gegenwärtige Generation nun einmal noch nicht fähig ist, sich auf allen Gebieten vernünftig und naturgemäß einzurichten, so muß sie einfach unter Vormundschaft gestellt werden, bis sie das Naturgemäße, das vernünftige Denken und Handeln, gelernt hat.“
Auch Bilz´ nun mehr als 110 Jahre alte Botschaft ist dabei eindeutig: „Wer sich von der Natur entfremdet, hat keine Zukunft.“
Bilz hat 1907 die erste ökologische und einzige ganzheitliche Utopie der Lebensreform verfasst, da er nicht nur die großen Strömungen der Lebensreformbewegung um 1900, so Naturheilkunde, die Ernährungsreform (einschließlich des Vegetarismus und der Antialkoholbewegung), die Freikörperkultur und die Siedlungsbewegung, sondern auch die Reformpädagogik und die Sexual-, Kleidungs- und Wohnungsreform hat er in seinem Roman sämtlich ausführlich dargestellt und belletristisch umgesetzt, womit dieser auch heute noch als ein bedeutendes zeitgeschichtliches Dokument zumindest in der auf den utopischen Teil begrenzten, vorliegenden Ausgabe sehr lesenswert, von bleibendem Wert und aktueller denn je ist.
Aktualisiert: 2022-01-05
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Die 1. umfassende Bestandsaufnahme der deutschen Kurzgeschichten Science Fiction für den Zeitraum 1871 - 1919 in 900 Einzelnachweisen von 250 Autoren belegt in eindrucksvollen Statistiken, dass am Anfang der Gattung im deutschsprachigen Raum nicht der abenteuerliche Zukunftserfinderroman a la Jules Verne Pate stand, sondern die spekulative Kurzgeschichte von Kurd Laßwitz, Julius Stinde, Max Haushofer und zahlreichen anonymen Autoren die SF in Deutschland begründete und durch Friedrich Groß, Paul Scheerbart, Gustav Meyrink, Hans Dominik, Carl Grunert, Rudolf Martin, Salomon Friedlaender und viele andere weiterentwickelt wurde.
Auch das weitverbreitete Vorurteil, dass die nationalistische Kriegsutopie das SF-Genre vor 1914 maßgeblich bestimmt hat, konnte widerlegt werden.
Inhalt:
Zur Erforschung der deutschen Science Fiction
Vom Nullpunkt der deutschen SF 1871 bis ins Jahr 1919
Die 1870er Jahre
Die 1880er Jahre
Die 1890er Jahre
Von der Jahrhundertwende bis 1914
Die Weltkriegsjahre 1915 – 1919
Bibliographische Nachweise
Frühe Theorien der Science Fiction
Nachetikettierung technisch-utopischer Kurzprosa vor 1926/29 als Science Fiction
Frühe Kritik an der SF als technischer Chiliasmus
Die Schundliteraturkampagne 1910 - 1916 gegen die SF
SF und Kriegsutopien in "Das Neue Universum" und anderen deutschen Knabenbüchern
SF in der "Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens"
SF-Story-Sammlungen
SF-Anthologien
SF-Heftserien
Aktualisiert: 2022-11-07
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Wer keine Lust mehr auf die anthropomorphen und so typisch deutschen Marsianer der Kaiserzeit hat, für den ist das unbekannte Meisterwerk der frühen deutschen Science Fiction "Die fremde Welt" aus dem Jahre 1913 über eine völlig fremdartige Mars-Zivilisation von Otto oder sogar Oskar Hoffmann, das jetzt erstmals nach mehr als 100 Jahren als Buchausgabe mit Nachwort zu "Das Rätsel des Oskar Hoffmann" und illustrierter Bibliographie veröffentlicht wird, genau richtig.
So beherbergt Hoffmanns Mars von 1913 nun 3 m große, 3-ultralichtäugige, gesichtslose und fast gestaltlose Telepathen mit Röntgenblick, die Gedanken fotographieren können und ihre Umwelt telekinetisch gestalten, in hochtechnisierten, unterirdischen Städten leben, die Sonnenenergie mittels Glasprismen nutzen und ihren Planeten mittels eines künstlichen Treibhauseffektes „terraformen“ und für sich bewohnbar halten.
An den 4 Menschen, die das Geheimnis der Gravitationswellen entdeckt haben und den Mars in einem kugelförmigen Raumschiff besuchen, haben sie jedoch gar kein Interesse, weshalb sie auch keinen Kontakt zur Erde aufnehmen.
Auch existiert noch eine zweite degenerierte und an die Menschen erinnernde Zwergrasse, die in den urzeitlichen marsischen Sümpfen haust.
Der wesentliche Unterschied von Die fremde Welt zur konventionellen Marsliteratur und der Science Fiction dieser Zeit besteht darin, dass der eigentliche Fortschritt der Martier, nicht nur in genretypischen technischen Errungenschaften antizipiert wird, sondern er in der evolutionären Vervollkommnung ihrer eigenen psychophysikalischen Eigenschaften manifestiert wird, sodass sie telepathisch kommunizieren und telekinetisch nicht nur Flugschiffe bewegen, sondern sogar den eigenen Körper schweben lassen und ihr Hologramm fernprojizieren können.
Auch Hoffmanns antiutopische Romanbotschaft ist genreuntypisch: Raumfahrt ist sinnlos und der Kontakt mit Außerirdischen deprimierend oder sogar tödlich.
Aktualisiert: 2021-02-06
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Die belletristischen Zukunftsapokalyptiker der damaligen Zeit differenzierten zwischen dem zeitnahen und dem zeitfernen Weltuntergang, den sie mit einem Erkalten der Sonne und der damit einhergehenden Vereisung der Erde gleichsetzten. Bei der zeitnahen Apokalypse dominiert die kosmische Katastrophe vor allem durch den Kometentod, der eine Polverschiebung bewirkt oder die Erde aus der Bahn „wirft“, sodass sie in die Sonne stürzt, die Erde durch einen direkten Zusammenprall oder durch einen Aufprall des Mondes zum Platzen bringt, ein Einschlag immerhin zu globalen Erdbeben, Wirbelstürmen und Überflutungen führt, dessen Schweif entweder der Erde den Sauerstoff entzieht, mit seinen giftigen Gasen alles Leben tötet oder durchaus origineller den Menschen neuroaktiv durch die Erhöhung seines Agressionspotentials beeinflusst und auch ohne Kometenaufprall die Welt ins Chaos stürzt. Dass der Komet zum Heilsbringer wird und der erkaltenden Erde eine neue Sonne bringt, war eher eine literarische Ausnahme.
Höchst originell waren auch die Visionen zu den nach einer weitgeheden Zerstörung der Erde sich evolutionär zurück- oder auch weiterentwickelnden "Nachmenschen".
Schon früh wurde angesichts einer möglichen Vereisung oder Zerstörung der Erde entweder das Überleben der Menschen in hochtechnisierten unterirdischen Städten, durch die Ausnutzung der Erdwärme oder die Erwärmung durch Elektrizität antizipiert oder die Evakuierung der Menschen mit technischen Mitteln im Luftschiff auf andere Planeten belletristisch vollzogen, womit die heute vergessenen Autoren aktuell state of the art sind. Der Weltuntergang wurde auch auf andere Gestirne wie den Mond und den Mars verlegt.
Die „herstellbare Katastrophe“ durch die Technik ist mit Beinahe-Weltuntergängen durch futuristische Massenvernichtungswaffen vor 1900 noch die Ausnahme. Später werden dann technisch induzierte Apokalypsen durch eine akustische Umwandlung der Menschen in violette Schleimkegel und die erste weltweite, vorsätzlich durch einen Chemiker verursachte Ölpest antizipiert. Auch sonst sind es oft Chemiker, die beispielsweise den „Grünen Tod“ aus der Retorte auf die Menscheit loslassen, den Planeten durch ein neues Element zur Explosion bringen oder Maschinen die Macht übernehmen lassen.
Der heutige Leser wird deshalb erstaunt in dieser Anthologie feststellen, dass apokalyptischen Ideen schon vor mehr als 100 Jahren in der deutschen Science Fiction präsent waren, die oft erst in den 1950er Jahren von der bis heute führenden anglo-amerikanischen SF wieder aufgenommen wurden.
Inhalt:
1908 Carl Grunert Das Ende der Erde?
1909 Paul Scheerbart Der gläserne Schrecken
1909 Georg Heym Die niedren Himmel hingen auf dem Rand
1909 Robert Heymann Der rote Komet
1909 Friedrich Thieme Weltbeben
1909 Friedrich Lorenzen Ganz allein auf der Welt
1910 Adolf May Die große Katastrophe
1910 Ernst Lübbert Der Weltuntergang in Bildern
1911 Friedrich Wilhelm Mader Eine Weltkatastrophe
1911 Hermann Dreßler Das Ende des Mondes
1912 Julius Kreis Die Sprachverwirrung
1912 Hermann Eßwein Der Weltuntergang aus der Retorte
1913 Fritz von Briesen Das Ende der Welt
1913 Fritz Müller Die Maschine
1913 Wilhelm Schmidtbonn Der letzte Mensch
1914 Alfred Meyer Der erste Mensch
Vom Roten Kometen bis zum "Grünen Tod" - Deutsche Weltuntergangsphantasien 1892 - 1914
Aktualisiert: 2021-02-06
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Nach 1909 wurde der Mars belletristisch ernsthafter, so beispielsweise mit einer möglichen Kontaktaufnahme mittels Licht- und Funksignalen, oft jedoch auch wenig origineller behandelt, häufiger dabei sogar „missbraucht“ um beispielsweise eine emanzipierte Frauenwelt zu propagieren, erotische Sehnsüchte zu befriedigen oder die internationalen Verwicklungen vor und im 1. Weltkrieg extraterrestrisch in eine Parallelwelt zu projizieren und zu extra-polieren. So spiegeln dabei die Terrainspekulanten auf dem Mars doch nur die imperialen Nationalstaaten auf der Erde wieder, die in einer anderen Erzählung sogar auf den Eintritt der Marsianer in den 1. Weltkrieg mittels Fernlenkwaffen hoffen. Auch moluskenartige Horrorwesen, die sich von den Grausamkeiten der Menschen ernähren, leben noch im Jahr 1919 auf dem Mars.
Inhalt:
1910 Kurd Laßwitz Die entflohene Blume
1910 E. Tanne Die Frauenwelt auf dem Mars
1911 Mynona Aerosophie
1911 Georg Heym Der Besuch des Marsmenschen
1911 Siegmund Wilheim Besuch auf dem Mars
1911 Hermann Dreßler Ein Marstelegramm
1911 F. W. Mader Eine Entdeckungsreise auf dem Mars
1913 Waldemar Schilling Fünf Jahre auf dem Mars
1913 Hans Dominik Ein Experiment
1915 N. N. Der Mars mobilisiert!
1917 Neutraler Kaufmann Die Terrain-Spekulanten auf dem Mars
1918 Max Heinrichka Der Weltkrieg au dem Mars
1919 Helene Burmaz Die Marsbewohner
1919 Hans Dominik Planetenverkehr
Die Sehsucht nach einem bewohnten Mars - Deutsche Marsphantasien 1892 - 1919
Auswahlbibliographie
Aktualisiert: 2021-02-06
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Flüchten Sie im schön illustrierten Band I im Jahre 100.000 vor dem drohenden Untergang der Erde auf den Mars, kommunizieren Sie mittels Lichtdepeschen oder Funksignalen mit den Marsianern oder lassen sich dort hin teleportieren, empfangen Sie telegraphisch das Porträt des Marsianers Ausiel oder seien Sie bei der Ankunft des Marsmenschen Kezmezk dabei, begegnen Sie männlichen und weiblichen Marsspionen auf der Erde oder fliegen Sie selbst zum Mars, feiern Sie beim 1000jährigen Stiftungsfest des Mars und seien Sie bei der deutsch-französischen Kolonisation des Mars im Jahre 2108 dabei, bieten Sie rechtzeitig mit, bevor die Erde für 7 Gulden an einen Marsianer versteigert wird, aber brechen Sie der Marskönigin nicht das Herz und entrüsten Sie sich darüber, was die Marsianer schon vor 100 Jahren über eine Begegnung mit den Menschen telegraphierten: Kein Interesse!
Inhalt:
1892 Gerhard Stein Ein Erlebniß auf dem Mars
1892 Josef Kohler Die Zukunft der Erdbevölkerung
1893 Karl von Schlözer Auf dem Mars
1896 Vincenz Chiavacci Eine Botschaft vom Mars
1897 Zyx Das 1000jährige Stiftungsfest auf dem Mars
1898 Manfred Fuhrmann Ein Marsbewohner über die Erde
1898 N. N. Das Uranelektroskop
1900 N. N. Eine Weltallreise
1900 Oskar Hoffmann Unter Marsmenschen
1903 Ornis Verschiedenes vom Mars
1904 Georg Heym Dr Alte vom Berge
1905 Alexander Roda Roda Mister Millers Linienlicht
1905 Adolf May Die Marsreise
1906 N. N. Vom Planeten Mars
1906 Felix Erber Auf drei Planeten
1907 Tauentzien Der Marsmensch
1907 Friedrich Bilz Depeschenwechsel mit dem Mars
1907 Waldemar Schilling Von der Erde zum Mars
1907 Carl Grunert Der Fremde
1908 Carl Grunert Der Marsspion
1908 Carl Grunert Mysis
1908 H. W. Marsdamen im Jahre 2500
1908 Hans Dominik Die Reise zum Mars
1909 August Niemann Der Aetherio auf dem Mars
1909 Kiek Kiek Das letzte Problem
1909 Kiek Kiek Finis
Aktualisiert: 2021-02-06
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