Wozu die ganze Welt, wenn ich nicht malte
Ida Gerhardi (1862–1927). Briefe einer Malerin zwischen Paris und Berlin
Annegret Rittmann
Die Briefe von Ida Gerhardi liefern ein wertvolles Zeugnis der Lebensumstände und des Engagements einer Malerin um die Jahrhundertwende. 1890 entschloss sich die aus Detmold stammende Künstlerin, zur Ausbildung an eine Pariser Akademie zu gehen. Bis 1913 sollte die französische Hauptstadt ihr Lebens- und Schaffenszentrum bleiben, zugleich stand sie immer in enger Beziehung zur deutschen Kunstszene, lebte zeitweise in Berlin und stellte in verschiedenen deutschen Städten aus. Ihre Verbindung zu beiden Ländern, verknüpft mit einer ausgeprägten Bereitschaft, sich für Künstlerkollegen einzusetzen, machte sie zu einer Mittlerin zwischen der französischen und deutschen Kunst ihrer Zeit. Wie die Briefe zeigen, förderte sie nicht nur Kontakte im Bereich der bildenden Künste – etwa zwischen Karl Ernst Osthaus und Auguste Rodin – sondern setzte sich auch für die Aufführung moderner Musik in Deutschland ein – insbesondere für die ihres Freundes Frederick Delius.So spiegelt sich in ihren Briefen, die in einer direkten, unmittelbaren Sprache geschrieben sind, zum einen das Eintreten für Künstlerfreunde, zum anderen der Einsatz für ihre eigene Malerei: das Ringen um authentische Darstellungs- und Ausdrucksformen in der Auseinandersetzung mit Auftraggebern und den Erwartungen des Kunstmarktes wie auch das Bemühen um Ausstellungs- und Verkaufsmöglichkeiten. Die Briefe geben ein lebendiges Bild von den Herausforderungen des Künstleralltags, von den Hoffnungen und Enttäuschungen Ida Gerhardis, die sich Ende des 19. Jahrhunderts wagemutig für die unsichere Existenz als Malerin entschied.