Pier Paolo Pasolinis Interventionen im Kontext der Debatte um die Legalisierung der Abtreibung in Italien, die Mitte der 1970er Jahre unter Beteiligung zahlreicher Intellektueller ihren Höhepunkt und 1978 zur Verabschiedung der Legge 194 geführt hatte, waren damals extrem verstörend, sie sind es heute noch. Pasolinis Thalassa-Brief, den wir hier erstmals auf Deutsch veröffentlichen, reagiert auf die Empörung, aber auch den Hohn, den sein Artikel Sono contro l’aborto, der eine Woche zuvor, am 19. Januar 1975, im Corriere della Sera erschienen war, ausgelöst hatte. Der in vielerlei Hinsicht schwer lesbare Brief zeugt davon, wie Pasolini die zum Teil sehr aggressiv formulierten Anfechtungen von Seiten verschiedener linker Intellektueller als eine für ihn schmerzhafte, ja quasi lebensbedrohende Anfeindung erlebt hat. Zwei Gesten sind dafür in diesem Brief besonders bezeichnend: Erstens der weitgehende Verzicht auf Argumente, um die eigene Position zu verteidigen; stattdessen nimmt Pasolini den Diskurs seiner Gegner an einzelnen Wendungen auf, nimmt deren rhetorische Polemik wörtlich, führt gleichsam auf hysterische Weise deren »tödliche« Wirkung vor. Zweitens führt Pasolini die Psychoanalyse ins Feld, allerdings nicht in analysierendem Gestus, sondern als geisterhaft herbeizitierte Fürsprecherin. Im Kontext der Auseinandersetzung mit Ferenczis bioanalytischen Ansätzen und den bioanalytischen Aspekten in Freuds Werk, die zeitgleich in der Doppelnummer Bionanalysen I und II des RISS Magazins erscheinen, wollen wir uns Pasolinis Traum vom intrauterinen Glück des Fötus und seiner Suche nach einem Schutz für diesen Traum bei der Psychoanalyse kritisch zuwenden.
Aktualisiert: 2023-06-15
Autor:
Cornelia Barber,
Marcus Coelen,
Judith Kasper,
Aaron Lahl,
Federico Leoni,
Stanislao Nievo,
Pier Paolo Pasolini,
Karl-Josef Pazzini,
Gianluca Solla,
Fabien Vitali,
Mai Wegener
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Aktualisiert: 2023-06-08
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Die entscheidende Schwierigkeit, »über Antisemitismus« zu schreiben, Antisemitismus anzusprechen, liegt darin, dass es keine Position von außen gibt, von der her gesprochen werden könnte. Dies zu verkennen, scheint eines der Hauptprobleme in vielen Initiativen zu sein (deren ziviles Engagement und gute Absichten nicht infrage gestellt seien), die Antisemitismus als sprachliche und physische Gewalt im (nicht nur) bundesdeutschen Alltag anzeigen. In diesem Zusammenhang wird oft das Bedürfnis laut, zu definieren, was als antisemitisch zu gelten habe und was nicht, und man ist bestrebt, Klarheit zu schaffen. Definitionen, die dieses Bedürfnis stillen wollen, bringen aber weitere Probleme mit sich. Denn wie etwas adressieren, das uns als zentrales und zugleich extrem dezentriertes, disseminiertes, jahrhundertealtes und brandaktuelles Problem heimsucht: antisemitische Gewalt, im Versuch des Eingedenkens, dass wir selbst und auch noch unser Versuch, den Antisemitismus endlich eindeutig in den Griff zu kriegen, Teil dieses Problems sind.
Das »Halle-Dossier«, das den Auftakt des Heftes bildet, weil der Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur, dem 9. Oktober 2019, der Auslöser für unsere begonnene Arbeit war, ist erst gegen Ende der Konzeption des vorliegenden Heftes entstanden. Wir haben eingeladen das Dokument aus Mitschriften des Prozesses gegen den Attentäter, das der Verein »democ. Zentrum Demokratischer Widerspruch e. V.« angefertigt angefertigt hat zu kommentieren.
Es kamen in der Redaktion viele Anfänge des Nachdenkens zusammen. Es blieb die Frage, was spezifisch Psychoanalytisches zu sagen sei, auch wenn vieles schon seit Jahrzehnten immer wieder geschrieben worden war. Etwas ließ uns unbefriedigt, wir ahnten mehr, als wir sagen konnten, dass es etwas zu explizieren gäbe, das weniger von identifizierbaren antisemitischen Inhalten ausging, sondern von Unbewusstem, das nicht direkt identifizierbar ist.
Es gibt im Feld von Geschichte, Politik, Traum, Dichtung und Kunst bisweilen Konstellationen, in denen einiges zusammenkommt, was es dann ermöglicht, dass unerwartet ein Standpunkt, ein unerwarteter Standpunkt umrissen wird. Der Titel dieser Ausgabe des RISS »AAAAAAAAntisemitismus – Asemantisch« schreibt sich von einem solchen her. Die A-Buchstaben-Laut-Graphem-Phonem-Reihe des ehemaligen Mitglieds der Resistenza, des späteren Künstlers Gastone Novelli trägt sich als stummer, stummlauter Schrei, verzerrend – als Kakofonie und Interferenz – in unser Sprechen und Schreiben »über Antisemitismus« ein.
Aktualisiert: 2023-06-08
Autor:
Laurence Bataille,
Artur Reginald Boelderl,
Marcus Coelen,
Lena Hirzel,
Eva Maria Jobst,
Judith Kasper,
Mona Körte,
Jean-Claude Milner,
Karl-Josef Pazzini,
Bernhard Schwaiger,
Walter Vorjohann,
Mai Wegener
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Wortspiele und Paradoxe, gegen den »Kummer«, für das »Bessere«.
Einige Umstände der Veröffentlichung und Abfassung des Textes von François Regnault Notre objet a sind im ersten Teil vom Autor selbst dargelegt. Sie ließen sich sicher kommentieren und deuten; die Veröffentlichung ist Element einer zum Teil sehr agonistisch geführten Debatte, reicht weit in die Geschichte der französischen 68er-Generation und ist komplex. Es ist hier nicht der Ort, dieser Komplexität gerecht zu werden.
Jedoch sind vielleicht ein paar Worte hilfreich, die sich auf die Thesen Regnaults, auf seine Dogmatik, wenn man so will und wenn man dieses Wort nicht im pejorativen, sondern im Sinne einer »formulierten Lehre« versteht, beziehen.
Regnault gibt in diesem Text eine Definition von Jude. Sie lautet, Jude sei »das Objekt a des Abendlandes«. Diese Definition ist eine funktionale, denn sie beruht nicht auf irgendeiner dem Definierten inhärenten Eigenschaft, sondern auf einer Beziehung, in dem es steht. Allein auf dieser Grundlage kann man sehen, dass diese Definition nicht eine Eigenschaft des Juden unabhängig dieser Beziehung bestimmen kann, es würde sich sonst um einen Grund, wenn nicht um eine Rechtfertigung des Antisemitismus handeln.
Diese Ausgabe von Riss+ erscheint begleitend zur Ausgabe RISS #98, AAAAAAAAntisemitismus. Asemantisch.
Aktualisiert: 2023-06-08
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Die entscheidende Schwierigkeit, »über Antisemitismus« zu schreiben, Antisemitismus anzusprechen, liegt darin, dass es keine Position von außen gibt, von der her gesprochen werden könnte. Dies zu verkennen, scheint eines der Hauptprobleme in vielen Initiativen zu sein (deren ziviles Engagement und gute Absichten nicht infrage gestellt seien), die Antisemitismus als sprachliche und physische Gewalt im (nicht nur) bundesdeutschen Alltag anzeigen. In diesem Zusammenhang wird oft das Bedürfnis laut, zu definieren, was als antisemitisch zu gelten habe und was nicht, und man ist bestrebt, Klarheit zu schaffen. Definitionen, die dieses Bedürfnis stillen wollen, bringen aber weitere Probleme mit sich. Denn wie etwas adressieren, das uns als zentrales und zugleich extrem dezentriertes, disseminiertes, jahrhundertealtes und brandaktuelles Problem heimsucht: antisemitische Gewalt, im Versuch des Eingedenkens, dass wir selbst und auch noch unser Versuch, den Antisemitismus endlich eindeutig in den Griff zu kriegen, Teil dieses Problems sind.
Das »Halle-Dossier«, das den Auftakt des Heftes bildet, weil der Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur, dem 9. Oktober 2019, der Auslöser für unsere begonnene Arbeit war, ist erst gegen Ende der Konzeption des vorliegenden Heftes entstanden. Wir haben eingeladen das Dokument aus Mitschriften des Prozesses gegen den Attentäter, das der Verein »democ. Zentrum Demokratischer Widerspruch e. V.« angefertigt angefertigt hat zu kommentieren.
Es kamen in der Redaktion viele Anfänge des Nachdenkens zusammen. Es blieb die Frage, was spezifisch Psychoanalytisches zu sagen sei, auch wenn vieles schon seit Jahrzehnten immer wieder geschrieben worden war. Etwas ließ uns unbefriedigt, wir ahnten mehr, als wir sagen konnten, dass es etwas zu explizieren gäbe, das weniger von identifizierbaren antisemitischen Inhalten ausging, sondern von Unbewusstem, das nicht direkt identifizierbar ist.
Es gibt im Feld von Geschichte, Politik, Traum, Dichtung und Kunst bisweilen Konstellationen, in denen einiges zusammenkommt, was es dann ermöglicht, dass unerwartet ein Standpunkt, ein unerwarteter Standpunkt umrissen wird. Der Titel dieser Ausgabe des RISS »AAAAAAAAntisemitismus – Asemantisch« schreibt sich von einem solchen her. Die A-Buchstaben-Laut-Graphem-Phonem-Reihe des ehemaligen Mitglieds der Resistenza, des späteren Künstlers Gastone Novelli trägt sich als stummer, stummlauter Schrei, verzerrend – als Kakofonie und Interferenz – in unser Sprechen und Schreiben »über Antisemitismus« ein.
Aktualisiert: 2023-06-07
Autor:
Laurence Bataille,
Artur Reginald Boelderl,
Marcus Coelen,
Lena Hirzel,
Eva Maria Jobst,
Judith Kasper,
Mona Körte,
Jean-Claude Milner,
Karl-Josef Pazzini,
Bernhard Schwaiger,
Walter Vorjohann,
Mai Wegener
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Wortspiele und Paradoxe, gegen den »Kummer«, für das »Bessere«.
Einige Umstände der Veröffentlichung und Abfassung des Textes von François Regnault Notre objet a sind im ersten Teil vom Autor selbst dargelegt. Sie ließen sich sicher kommentieren und deuten; die Veröffentlichung ist Element einer zum Teil sehr agonistisch geführten Debatte, reicht weit in die Geschichte der französischen 68er-Generation und ist komplex. Es ist hier nicht der Ort, dieser Komplexität gerecht zu werden.
Jedoch sind vielleicht ein paar Worte hilfreich, die sich auf die Thesen Regnaults, auf seine Dogmatik, wenn man so will und wenn man dieses Wort nicht im pejorativen, sondern im Sinne einer »formulierten Lehre« versteht, beziehen.
Regnault gibt in diesem Text eine Definition von Jude. Sie lautet, Jude sei »das Objekt a des Abendlandes«. Diese Definition ist eine funktionale, denn sie beruht nicht auf irgendeiner dem Definierten inhärenten Eigenschaft, sondern auf einer Beziehung, in dem es steht. Allein auf dieser Grundlage kann man sehen, dass diese Definition nicht eine Eigenschaft des Juden unabhängig dieser Beziehung bestimmen kann, es würde sich sonst um einen Grund, wenn nicht um eine Rechtfertigung des Antisemitismus handeln.
Diese Ausgabe von Riss+ erscheint begleitend zur Ausgabe RISS #98, AAAAAAAAntisemitismus. Asemantisch.
Aktualisiert: 2023-06-07
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Aktualisiert: 2023-06-04
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Aktualisiert: 2023-06-04
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Wortspiele und Paradoxe, gegen den »Kummer«, für das »Bessere«.
Einige Umstände der Veröffentlichung und Abfassung des Textes von François Regnault Notre objet a sind im ersten Teil vom Autor selbst dargelegt. Sie ließen sich sicher kommentieren und deuten; die Veröffentlichung ist Element einer zum Teil sehr agonistisch geführten Debatte, reicht weit in die Geschichte der französischen 68er-Generation und ist komplex. Es ist hier nicht der Ort, dieser Komplexität gerecht zu werden.
Jedoch sind vielleicht ein paar Worte hilfreich, die sich auf die Thesen Regnaults, auf seine Dogmatik, wenn man so will und wenn man dieses Wort nicht im pejorativen, sondern im Sinne einer »formulierten Lehre« versteht, beziehen.
Regnault gibt in diesem Text eine Definition von Jude. Sie lautet, Jude sei »das Objekt a des Abendlandes«. Diese Definition ist eine funktionale, denn sie beruht nicht auf irgendeiner dem Definierten inhärenten Eigenschaft, sondern auf einer Beziehung, in dem es steht. Allein auf dieser Grundlage kann man sehen, dass diese Definition nicht eine Eigenschaft des Juden unabhängig dieser Beziehung bestimmen kann, es würde sich sonst um einen Grund, wenn nicht um eine Rechtfertigung des Antisemitismus handeln.
Diese Ausgabe von Riss+ erscheint begleitend zur Ausgabe RISS #98, AAAAAAAAntisemitismus. Asemantisch.
Aktualisiert: 2023-05-30
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Die entscheidende Schwierigkeit, »über Antisemitismus« zu schreiben, Antisemitismus anzusprechen, liegt darin, dass es keine Position von außen gibt, von der her gesprochen werden könnte. Dies zu verkennen, scheint eines der Hauptprobleme in vielen Initiativen zu sein (deren ziviles Engagement und gute Absichten nicht infrage gestellt seien), die Antisemitismus als sprachliche und physische Gewalt im (nicht nur) bundesdeutschen Alltag anzeigen. In diesem Zusammenhang wird oft das Bedürfnis laut, zu definieren, was als antisemitisch zu gelten habe und was nicht, und man ist bestrebt, Klarheit zu schaffen. Definitionen, die dieses Bedürfnis stillen wollen, bringen aber weitere Probleme mit sich. Denn wie etwas adressieren, das uns als zentrales und zugleich extrem dezentriertes, disseminiertes, jahrhundertealtes und brandaktuelles Problem heimsucht: antisemitische Gewalt, im Versuch des Eingedenkens, dass wir selbst und auch noch unser Versuch, den Antisemitismus endlich eindeutig in den Griff zu kriegen, Teil dieses Problems sind.
Das »Halle-Dossier«, das den Auftakt des Heftes bildet, weil der Anschlag auf die Synagoge in Halle an Jom Kippur, dem 9. Oktober 2019, der Auslöser für unsere begonnene Arbeit war, ist erst gegen Ende der Konzeption des vorliegenden Heftes entstanden. Wir haben eingeladen das Dokument aus Mitschriften des Prozesses gegen den Attentäter, das der Verein »democ. Zentrum Demokratischer Widerspruch e. V.« angefertigt angefertigt hat zu kommentieren.
Es kamen in der Redaktion viele Anfänge des Nachdenkens zusammen. Es blieb die Frage, was spezifisch Psychoanalytisches zu sagen sei, auch wenn vieles schon seit Jahrzehnten immer wieder geschrieben worden war. Etwas ließ uns unbefriedigt, wir ahnten mehr, als wir sagen konnten, dass es etwas zu explizieren gäbe, das weniger von identifizierbaren antisemitischen Inhalten ausging, sondern von Unbewusstem, das nicht direkt identifizierbar ist.
Es gibt im Feld von Geschichte, Politik, Traum, Dichtung und Kunst bisweilen Konstellationen, in denen einiges zusammenkommt, was es dann ermöglicht, dass unerwartet ein Standpunkt, ein unerwarteter Standpunkt umrissen wird. Der Titel dieser Ausgabe des RISS »AAAAAAAAntisemitismus – Asemantisch« schreibt sich von einem solchen her. Die A-Buchstaben-Laut-Graphem-Phonem-Reihe des ehemaligen Mitglieds der Resistenza, des späteren Künstlers Gastone Novelli trägt sich als stummer, stummlauter Schrei, verzerrend – als Kakofonie und Interferenz – in unser Sprechen und Schreiben »über Antisemitismus« ein.
Aktualisiert: 2023-05-30
Autor:
Laurence Bataille,
Artur Reginald Boelderl,
Marcus Coelen,
Lena Hirzel,
Eva Maria Jobst,
Judith Kasper,
Mona Körte,
Jean-Claude Milner,
Karl-Josef Pazzini,
Bernhard Schwaiger,
Walter Vorjohann,
Mai Wegener
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Aktualisiert: 2023-05-13
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Dieses Buch enthält eine Reihe von dicht aufeinanderfolgenden Reflexionen zu verschiedenen Autoren und Themen, die Blanchot größtenteils zwischen 1953 und 1965 verfasst und selbst zusammengestellt hat. In dieser Zusammenstellung entwirft er eine Idee des Schreibens, das sich nicht in den Dienst von Etwas stellt, sondern als langsam sich entfaltende Kraft nach und nach ganz andere Möglichkeiten der Thematisierung eröffnet, etwa von Gott, vom Selbst, vom Subjekt, von der Wahrheit und vom Einen. Dieses Schreiben schwebt scheinbar identitätslos über der Sprache und zielt als solches nicht auf ein Buch ab. Folgerichtig mündet der letzte dieser komplexen, oft paradox formulierenden Essays in der Abwesenheit des Buches.
»Das unendliche Gespräch« gilt als eines der philosophischsten Werke Blanchots. Blanchot hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die Philosophie des 20. Jahrhunderts. Er war Wegbereiter für George Batailles, Emmanuel Levinas, Jacques Derrida, Gilles Deleuze, Jean-Luc Nancy und andere.
Aktualisiert: 2023-02-20
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Für die Ausgabe »Fröhliche Wissenschaft« (RISS 88, 2018) hatte uns Barbara Cassin freundlicherweise eine Liste mit Zitaten und Notaten überlassen, die überschrieben war mit dem Titel »Athen Oktober 09. Die sophistischen Ursprünge der Psychoanalyse«. Die Redaktion des RISS hatte diese Liste damals, mit einer knappen Einleitung versehen, unkommentiert veröffentlicht. In der vorliegenden 6. Ausgabe der Reihe RISS+ möchten wir diese Liste noch einmal separat – und nun zweisprachig – veröffentlichen, zusammen mit den Ergebnissen einer Gruppenarbeit, die sich als ein Cartel den Auftrag gegeben hat, zu überlegen, was uns diese Liste zu denken aufgibt, wie sie weiterzuschreiben, zu supplementieren oder kommentieren wäre.
Wichtig war zunächst festzustellen: Cassin hat uns keinen von ihr verfassten Essay gegeben. Was hier veröffentlicht wird, steht nicht unter ihrer Autorschaft. Vielmehr ist sie Überbringerin von Bruchstücken aus Texten anderer Autoren. Sie hat uns also etwas überlassen, gegeben, geschenkt, das nicht ihr gehört hat. Zugleich zeugt die Auswahl und Konstellation der Zitate sowie die wenigen Notate, in der keine persönliche Handschrift erkennbar wird, doch – wie bei einem gelungenen Geschenk – von einem bestimmten »Geschmack«, einer Positionierung. In diesem Fall: für die Sophisten, für Lacan, für Poesie, für Wortspiele und Paradoxe, gegen den »Kummer«, für das »Bessere«.
Aktualisiert: 2023-02-16
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Der Ausdruck »Bioanalyse« ist von Sándor Ferenczi geprägt und in seinem Versuch einer Genitaltheorie entfaltet worden. International wurde dieser Text unter dem Titel Thalassa bekannt, im Ungarischen trägt er den Titel Katasztrófák. Er befasst sich, knapp gesagt, mit der Idee, dass es »zu der individuellen Katastrophe der Geburt und ihrer Wiederholung im Begattungsakt eine Art geschichtliche[r] Parallele« geben müsse, die Ferenczi in der Phylogenese und genauer im Übergang von der See- zur Landexistenz der Wirbeltiere findet. Der Terminus Bioanalyse ist allerdings nicht auf diese spezifische These beschränkt, sondern steht für von der psychoanalytischen Erfahrung ausgehende biologische Spekulation überhaupt. Die Radikalität dieser Spekulation und die Kühnheit der Gedankenführung in Ferenczis Unternehmen beeindrucken und irritieren bis heute. Biologie und Psychoanalyse treten hier in ein wirklich neues, fast möchte man sagen verrücktes Verhältnis. Die beiden vorliegenden Hefte des RISS – Bioanalysen I und Bioanalysen II – nehmen ihren Ausgangspunkt und Anstoß von Ferenczis Arbeit. Es setzen sich allerdings keineswegs alle Texte direkt mit Ferenczi auseinander. Die Absicht ist vielmehr, die hier angelegte Herangehensweise für ein anderes Denken der Verbindung von Biologie und Psychoanalyse zu befragen und fruchtbar zu machen.
Aktualisiert: 2022-04-19
Autor:
Nikolas Abraham,
Engl Astrid,
Peter Berz,
Marcus Coelen,
Insa Härtel,
Regina Karl,
Pazzini Karl-Josef,
Judith Kasper,
Karl-Josef Pazzini,
Erik Porath,
Claus-Dieter Rath,
Jamieson Webster,
Mai Wegener,
Diana Weis,
Peter Widmer
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»Der lacanianische Diskurs ist sicher etwas, was Angst macht, sonst gäbe es die andere Psychoanalyse nicht.«
Mit diesen Worten blickt Peter Widmer zurück auf das politische und intellektuelle Klima, in welchem er und Dieter Sträuli sich 1986 entschieden haben, den RISS zu gründen. Dieses Heft zu Peter Widmers 80. Geburtstag ist als Dank gedacht, für seinen Einsatz für eine freie Psychoanalyse, eine, die die Angst vor der Offenheit und vor dem Nichtverstehen ins Sprechen bringt. Wenn der RISS bis heute für eine Psychoanalyse steht, die Angst macht, so wurde im Gespräch deutlich, dass diese Angst keine vor den psychoanalytischen Institutionen und deren Agenten ist, als vielmehr eine in der Psychoanalyse. Hier kann Angst ein Produktionsmittel werden, wenn sie vom Wünschen ohne und vom Begehren all der Anderen gehalten wird. In diesem Sinne ist RISS vielleicht ein Symptom. RISS besteht als älteste lacanianische Zeitschrift im deutschsprachigen Raum fort. Es zeigte sich dabei im Gespräch auch, wie sehr sich das Umfeld der Zeitschrift und die Erwartungen, mit denen sie konfrontiert ist, geändert haben. Die Herausforderung liegt in der Transmission eines Begehrens, das immer wieder anders entfaltet werden kann. Das heißt auch, dass wir Beteiligten gemeinsam mit Peter Widmer dazu aufgerufen bleiben, die Psychoanalyse und uns zu verändern in diesem »Judo-Kampf mit der Wahrheit, bei dem man nicht immer sicher ist, wie man dabei herauskommt«
Aktualisiert: 2022-09-01
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Der Ausdruck »Bioanalyse« ist von Sándor Ferenczi geprägt und in seinem Versuch einer Genitaltheorie entfaltet worden. International wurde dieser Text unter dem Titel Thalassa bekannt, im Ungarischen trägt er den Titel Katasztrófák. Er befasst sich, knapp gesagt, mit der Idee, dass es »zu der individuellen Katastrophe der Geburt und ihrer Wiederholung im Begattungsakt eine Art geschichtliche[r] Parallele« geben müsse, die Ferenczi in der Phylogenese und genauer im Übergang von der See- zur Landexistenz der Wirbeltiere findet. Der Terminus Bioanalyse ist allerdings nicht auf diese spezifische These beschränkt, sondern steht für von der psychoanalytischen Erfahrung ausgehende biologische Spekulation überhaupt. Die Radikalität dieser Spekulation und die Kühnheit der Gedankenführung in Ferenczis Unternehmen beeindrucken und irritieren bis heute. Biologie und Psychoanalyse treten hier in ein wirklich neues, fast möchte man sagen verrücktes Verhältnis. Die beiden vorliegenden Hefte des RISS – Bioanalysen I und Bioanalysen II – nehmen ihren Ausgangspunkt und Anstoß von Ferenczis Arbeit. Es setzen sich allerdings keineswegs alle Texte direkt mit Ferenczi auseinander. Die Absicht ist vielmehr, die hier angelegte Herangehensweise für ein anderes Denken der Verbindung von Biologie und Psychoanalyse zu befragen und fruchtbar zu machen.
Aktualisiert: 2022-04-19
Autor:
Jens Asthoff,
Peter Berz,
Marcus Coelen,
Elke Erb,
Porath Erik,
Pazzini Karl-Josef,
Judith Kasper,
Theresa Mayer,
Karl-Josef Pazzini,
Simon Scharf,
Mai Wegener,
Peter Widmer,
Jenny Willner
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Pier Paolo Pasolinis Interventionen im Kontext der Debatte um die Legalisierung der Abtreibung in Italien, die Mitte der 1970er Jahre unter Beteiligung zahlreicher Intellektueller ihren Höhepunkt und 1978 zur Verabschiedung der Legge 194 geführt hatte, waren damals extrem verstörend, sie sind es heute noch. Pasolinis Thalassa-Brief, den wir hier erstmals auf Deutsch veröffentlichen, reagiert auf die Empörung, aber auch den Hohn, den sein Artikel Sono contro l’aborto, der eine Woche zuvor, am 19. Januar 1975, im Corriere della Sera erschienen war, ausgelöst hatte. Der in vielerlei Hinsicht schwer lesbare Brief zeugt davon, wie Pasolini die zum Teil sehr aggressiv formulierten Anfechtungen von Seiten verschiedener linker Intellektueller als eine für ihn schmerzhafte, ja quasi lebensbedrohende Anfeindung erlebt hat. Zwei Gesten sind dafür in diesem Brief besonders bezeichnend: Erstens der weitgehende Verzicht auf Argumente, um die eigene Position zu verteidigen; stattdessen nimmt Pasolini den Diskurs seiner Gegner an einzelnen Wendungen auf, nimmt deren rhetorische Polemik wörtlich, führt gleichsam auf hysterische Weise deren »tödliche« Wirkung vor. Zweitens führt Pasolini die Psychoanalyse ins Feld, allerdings nicht in analysierendem Gestus, sondern als geisterhaft herbeizitierte Fürsprecherin. Im Kontext der Auseinandersetzung mit Ferenczis bioanalytischen Ansätzen und den bioanalytischen Aspekten in Freuds Werk, die zeitgleich in der Doppelnummer Bionanalysen I und II des RISS Magazins erscheinen, wollen wir uns Pasolinis Traum vom intrauterinen Glück des Fötus und seiner Suche nach einem Schutz für diesen Traum bei der Psychoanalyse kritisch zuwenden.
Aktualisiert: 2021-10-29
Autor:
Cornelia Barber,
Marcus Coelen,
Judith Kasper,
Aaron Lahl,
Federico Leoni,
Stanislao Nievo,
Pier Paolo Pasolini,
Karl-Josef Pazzini,
Gianluca Solla,
Fabien Vitali,
Mai Wegener
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Im Frühjahr 2018 besuchte Karl-Josef Pazzini Viktor Mazin in St. Petersburg im von ihm konzipierten Freud’schen Traummuseum – Ein Museum ohne originale Dokumente, ein psychoanalytisches Museum, zugleich Versammlungsort und Praxis, Seminarraum und Kino.
Das Museum liegt unter der Osteuropäischen Hochschule für Psychoanalyse, im Souterrain, einer Einrichtung in Kooperation mit der »International Psychoanalytic Society«. Wir sprachen über dieses sujet: über die Psychoanalyse in St. Petersburg, in Russland und in der Sowjetunion.
Während des Gesprächs blitzte unerwartet eine Erinnerung auf, die die Atmosphäre veränderte. Viktor Mazin sprach von der für ihn immer noch anhaltenden Bedeutung des Kongresses über das Unbewusste in Tiflis 1979 (organisiert von Léon Chertok und Filipp Bassin) und die Publikation der Kongressbeiträge auf Russisch und Englisch. Für uns beide waren der Kongress und seine Akten damals eine Überraschung. Es öffneten sich neue Möglichkeiten, einer Psychoanalyse zu begegnen, von der wir ahnten, dass sie der für uns unbewussten Attraktion näherkam als das, was wir bisher von der Psychoanalyse gehört hatten. Für uns beide – geografisch weit entfernt voneinander – eröffnete sich über »Tiflis« ein Weg zur Lektüre Jacques Lacans.
Viktor Mazin hatte begonnen, darüber zu schreiben und versprach mir, das fertige Manuskript für den RISS zur Verfügung zu stellen.
Das liegt hier nun in der Übersetzung von Elisa Purschke vor. Sie hat auch in den Kontext eingeleitet und über das spezifisch sowjetische Konzept der »Einstellung« im Nachwort geschrieben. »Einstellung« wurde zur Verschiebung und Tarnung für das Unbewusste in der Sowjetunion.
Die Veröffentlichung von Beträgen zum Tiflis-Kongress hat in Frankreich zu Beginn der 1980er-Jahre den Anlass zur »Affaire de Tbilissi gegeben. Louis Althusser warf Léon Chertok vor, einen falschen, unfertigen Text von ihm – »La découverte du Docteur Freud« – ohne Autorisierung veröffentlicht zu haben. Wir planen, diesen Text, der auf Französisch und Englisch, aber nicht auf Deutsch zugänglich ist und ein wichtiges Element in der Geschichte der Aufnahme der Lacan’schen Arbeiten in der (marxistischen) Philosophie bildet, in einem späteren RISS+ zu übersetzen und zu dokumentieren. —
Aktualisiert: 2021-04-29
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Ausgangspunkt für die Entstehung dieses Hefts war ein Workshop mit dem Titel »Islam – Psychoanalyse – Fethi Benslama und andere Versuche« an der Psychoanalytischen Bibliothek Berlin im März 2019, bei dem einige der hier publizierten Texte in einer ersten Version vorgetragen wurden. Dem Workshop voraus ging die gemeinsame Lektüre von Benslamas Buch, das im Deutschen den Titel »Psychoanalyse des Islam« trägt. Der französische Originaltitel dagegen lautet »La psychanalyse à l’épreuve de l’Islam – Wie der Islam die Psychoanalyse auf die Probe stellt«, wobei der Autor nicht versäumt, darauf hinzuweisen, dass der umgekehrte Titel – »Wie die Psychoanalyse den Islam auf die Probe stellt« – ebenso zutreffend gewesen wäre. Wir nehmen diese gegenstrebige Fügung auf und formulieren als Frage: Psychoanalyse des Islam? Darin lässt sich das Anliegen hören, sich von psychoanalytischer Seite mit dem Islam zu befassen, wie auch (genitivus subjectivus) die Psychoanalyse durch ihn verändert zu sehen. Es lässt sich darin aber auch Erstaunen hören: Suggeriert die Formulierung nicht auf heikle Weise, dass es wünschenswert sei, »den Islam« auf die Couch zu legen? Für die analytische Praxis immerhin gilt, dass einem Psychoanalytiker oder einer Psychoanalytikerin immer Einzelne begegnen, die ja nicht als Muslime in die Psychoanalyse kommen, oder gar als Islamisten, ebenso wenig wie als Christen, als Linke oder als Bauarbeiter, sondern aus einer je konkreten Geschichte heraus. Sie kommen als von Geschichte(n) durchquerte Subjekte und können darin von einer religiösen Tradierung berührt oder geprägt sein – was im Übrigen nicht allein für Muslime gilt. Die analytische Theorie hingegen befasst sich durchaus nicht allein mit den Subjekten, sondern hat es von Anfang an sehr fruchtbar mit Fragen der Kultur und mit religiösen Tradierungen aufgenommen. Freud hat seine Schrift» Der Mann Moses und die monotheistische Religion« aber doch nicht »Psychoanalyse des Judentums« genannt, sondern statt der Psychoanalyse sein spezifisches Interesse an Moses in den Titel gehoben. Über die von ihm ersonnene »psychoanalytische Hochschule«, deren »Unterricht auch Fächer […] [wie] Kulturgeschichte, Mythologie, Religionspsychologie und Literaturwissenschaft« umfassen sollte, gibt es dann auch wieder einen Rückbezug zur Praxis, denn, wie Freud festhielt, »[o]hne eine gute Orientierung auf diesen Gebieten steht der Analytiker einem großen Teil seines Materials verständnislos gegenüber«.4 Immer wieder aufs Neue hat die psychoanalytische Arbeit so – in der Praxis wie in der Theorie – das Verhältnis zwischen Singulärem und Struktur oder einfach zwischen Subjekt und Kultur zu artikulieren.
Aktualisiert: 2021-04-08
Autor:
Sandrine Aumercier,
Andrei Chitu,
Marcus Coelen,
Jonas Diekhans,
Alex Janda,
Judith Kasper,
Sabine Kebir,
Aaron Lahl,
Susanne Lüdemann,
Karl-Josef Pazzini,
Sarah Rauchfuß,
Kianush Ruf,
Thomas Scheffler,
Jonathan Schmidt-Dominé,
Elisabeth Weber,
Mai Wegener,
Peter Widmer
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Der Text, den wir hier dokumentieren und mit Kommentaren versehen, ist die gekürzte Transkription eines Vortrags, den Lacan am 10. November 1967 im Rahmen einer von Henri Ey, einem der berühmtesten Psychiater dieser Zeit, gegründeten Fortbildungsreihe (Cercle d’études psychiatriques) in der psychiatrischen Klinik von Sainte-Anne in Paris gehalten hat. Kurz zuvor hatte Lacan seinen »Vorschlag vom 9. Oktober 1967« vor den Analytikern seiner Schule vorgelesen, in dem er die Grundlagen der passe vorstellte, was kurze Zeit später zu erheblichen Konflikten innerhalb von Lacans Schule führte. Bereits Jahre zuvor wurde Lacan von der International Psychoanalytical Association unter anderem wegen seiner Handhabung der Sitzungsdauer von der Liste ihrer Lehranalytiker gestrichen, und der hier abgedruckte Text zeugt von einer gewissen Notwendigkeit, die Originalität seiner Lehre und seiner Position im Feld der Psychoanalyse zu behaupten.
Aktualisiert: 2021-09-30
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