ist ein Projekt des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, diesmal aber nicht als Taktgeber, sondern als diskreter Beobachter einer Szene. Im Interesse stehen die vielen – ungerufenen, meist anonymen – Einträge in den öffentlichen Raum, aus persönlichen, kommerziellen, politischen wie künstlerischen Beweggründen. Das dichte Gewebe von Bildern und Botschaften, die rätselhaften hinterlassenen Gegenstände und sonderbaren Aktionen sind für die unvorbereiteten Passant*innen nur schwer zu entschlüsseln oder überhaupt unsichtbar. Durch den Filter des selektiven Blicks werden nur individuell relevante Informationen aufgenommen und vieles dadurch im wahrsten Sinne „übersehen“. Für die unterschiedlichen Spielarten die Augen zu öffnen, urbane Handlungsfelder und Bedeutungsschichten zu definieren, Linien und Layer im unübersichtlichen Schnittmusterplan einer Stadt nachzufahren, ist hier exemplarisch anhand der Stadt Graz vorgenommen worden. Als Working Tools wurden Kategorien zu den unterschiedlichen Vorgangsweisen erstellt, die nach ihrem Modus geordnet wurden, als symbolträchtige Icons dienten Stencils, die im Grazer Stadtraum entdeckt wurden.
Der Begriff „uncurated“ ist Pidgin-Englisch, er existiert nicht im englischen Sprachgebrauch. Es ist ein selbstironischer Kommentar zu den gespreizten Worthülsen, die von Kurator*innen für ihre Ausstellungsprojekte kreiert werden. Und vordergründig ist er auch mit Kuratorenschaft bzw. ihrer Absenz zu assoziieren, aber ebenso schwingen Bedeutungen wie „ungepflegt“ und „vernachlässigt“ mit.
Damit ist schon die wesentliche Absicht angesprochen, und zwar, den meist unauffälligen Eintragungen im öffentlichen Raum Aufmerksamkeit zu widmen, unauffällig, weil sie zwischen den viel lauteren Werbeeinschaltungen ausgeblendet und übersehen werden.
So zeigt eben auch Graz im Piano nobile die bezahlte Werbung, Plakate auf Litfaßsäulen, City Lights an Haltestellen und leuchtende Billboards an großen Kreuzungen, während im Parterre die meist anonymen Botschaften Verbreitung finden, Sticker entlang von Dachrinnen und an Pfosten, gesprayte Schriftkürzel, Schablonenbilder und Malereien auf Mauern, an Hauseingängen und Häusersockeln, Bahndämmen und an den funktionalen Teilen der Stadtmöblierung wie Stromkästen und Trafohäuschen. Hat man erst einmal Witterung aufgenommen, wird man in Graz kaum einen Schritt machen können, ohne diese geheime Welt aus Schriften, Bildern und Aufklebern ergründen zu wollen.
Die Stadt wird aber nicht nur genutzt, um Einträge zu hinterlassen, sie ist ebenso Spielfeld und Arena, um sich selbst in Szene zu setzen. Die Formen und Motive für die öffentlichen Aktionen von Gruppen sind vielfältig und reichen von spielerischen Einsätzen wie Flashmobs bis zu politischen Kundgebungen oder Besetzungen des öffentlichen Raumes, wie Urban Gardening oder House Squatting.
Eine spezifische Art, die Stadtarchitektur zu erleben, ist, sie körperlich nachzuvollziehen, ihre Absätze, Stufen, Mauern wie Geräte eines Turnsaals zu nutzen, sei es mit BMX-Rädern, Skateboards oder in direkter akrobatischer Aneignung, wie bei den Disziplinen Freerunning und Parkour: die ganze Stadt kann so zum Hindernisparcours werden.
Spuren dieser Aktivitäten sind Wachsschichten auf Geländern und Betonkanten zum besseren „Sliden“ respektive Kreidespuren (Boulder Chalk), um besseren „Grip“ zu haben. Daneben aber gibt es auch „Street Player“, die so gut wie überhaupt keine Spuren hinterlassen, sie agieren wie das Eichhörnchen – in Graz bekannt als „Hansi“ – und verstecken ihre Nüsse so gekonnt, dass sie wirklich nur der Eingeweihte finden kann. Gemeint sind damit die Geocacher, GPS-Schnitzeljäger, auch in Graz sind ein paar hundert Schätze zu heben.
Nicht nur Tourist*innen, sondern gerade Grazer*innen, die vermeinen, ihre Stadt zu kennen, werden auf ihren Stadtspaziergängen überrascht werden, über die plötzliche Wahrnehmung des oft Gesehenen und niemals Registrierten.
Aktualisiert: 2021-02-25
Autor:
Martin Behr,
Karin Buol,
Werner Fenz,
Elisabeth Fiedler,
Max Gad,
Emil Gruber,
Joachim Hainzl,
Eva Maria Hierzer,
Anna Kohlhauser,
Judith Laister,
Eva Martischnig,
Thomas Miessgang,
Wenzel Mracek,
Margit Neuhold,
Kurt Pöschl,
Leonhard Rabensteiner,
Michaela Reichart,
Alexandra Riewe,
Evelyn Schalk,
Heinz J. Schubert,
Karl Stocker,
Anke Strittmatter,
Erika Thümmel,
Günther Tischler,
Wolfgang Wehap
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WACHRÄUME geht aus dem Projekt Niemandsland hervor, das 1989 als Kunstaktion an der österreichischen Außengrenze realisiert wurde. Dabei hat man Erde aus der Minenzone zwischen den Stacheldrahtzäunen ausgehoben und im österreichischen Staatsgebiet wieder eingesetzt.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs wurden Stacheldrahtzäune und Wachtürme an den Grenzen zu Westeuropa nach und nach von den ehemaligen Ländern des Warschauer Pakts entfernt. Der Westen jedoch begann verstärkt, Wachtürme und Unterstände für seine Soldaten an den Ostgrenzen aufzustellen, um illegale Übertritte über nun offene, grüne Grenzen zu verhindern. 2007 wurden die österreichischen Grenzüberwachungen überflüssig, da die Außengrenzen des EU- Raums nun weiter nach Osten wanderten. Das österreichische Militär beschloss, seine Überwachungsbauten endgültig aufzugeben und demontierte die Anlagen. Dem Grazer Fotografen Emil Gruber gelang es damals, etliche der gerade noch bestehenden Vorrichtungen im Bild festzuhalten. Diese Bilder der nicht mehr existierenden Wachposten erscheinen heute wie Mahnmale, nicht zuletzt im Wissen um den 2016 in der Südsteiermark installierten Grenzzaun zu Slowenien.
Jeder hielt damals Grenzbefestigungsanlagen für ein historisches, abgeschlossenes Kapitel. Niemand konnte ahnen, dass weitere knappe zehn Jahre später – diesmal innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten – wieder Zäune aufgestellt werden ...
WACHRÄUME bereitet dieses Thema anhand von Fotos und Texten neuerlich auf.
Aktualisiert: 2022-04-01
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Ein historisches Zeitungsprojekt zur "Tarnschriften"-Ausstellung der Intro-Graz-Spection, erschienen in der edition keiper.
Aktualisiert: 2018-07-12
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