Fremd ist der Fremde nur in der Fremde (Karl Valentin) "Mein Bruder und ich lernten recht früh, dass es sehr unangenehm werden konnte, wenn man draußen Polnisch sprach. Wurde man von mitspielenden Kindern als Fremder oder gar als Pole enttarnt, so konnte es schnell passieren, dass man als Polacke vom Spiel ausgeschlossen wurde. Wir waren also schon sehr früh auf der Hut und aufgrund unseres vorsichtigen Umgangs mit der Außenwelt erfolgte der brutale Ausschluss Gott sei Dank nicht so oft. Allerdings sind diese Erlebnisse noch immer fest in mir gespeichert und ich könnte auch heute noch die entsprechenden Sprecher und Situationen benennen. Zum Beispiel die schicke Edith aus der Ludwigstraße, die uns vom Versteckspiel ausschließen wollte, weil wir schließlich Polacken seien und man mit Polacken nicht spiele. " Dieser Roman behandelt einen großen Ausschnitt der Lebensgeschichte eines heimatlosen Ausländers mit polnischen und lettischen Wurzeln, der in der deutschen Provinz in bescheidenen Verhältnissen aufwächst. Er beschreibt seinen Werdegang vom Herkunfts- und Berufspolen zum Kosmopolen und Kosmopoliten, den Zirkelschluss vom dekretierten zum bewusst akzeptierten Status eines heimatlosen Ausländers.
Aktualisiert: 2020-01-01
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Am 10. März 1953 in Beuthen/O.S. geboren, empfing Andreas Lawaty als Sohn einer deutschen, polnisch assimilierten Pastorenfamilie (er wuchs mit Polnisch als erster Sprache auf) die polnische Schulsozialisation. In eben jener Zeit sind die Keime seiner späteren beruflichen Polen-Faszinationen zu suchen. Die geistige Atmosphäre des Hauses blieb zweifelsfrei nicht ohne Einfluss auf sein intellektuelles Profil – man denke an die Rolle der Institution des Pastorenhauses in der deutschen Literatur- und Kulturgeschichte generell. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit die baldige Übersiedlung der Familie nach Podkowa Lesna bei Warschau (wo der Vater, Erwin Lawaty, Rektor und Professor in einem protestantischen Priesterseminar war) durch die Nähe zu Stawisko, dem benachbarten Landsitz des Grandseigneurs der polnischen Literatur des 20. Jahrhunderts Jaroslaw Iwaszkiewicz, atmosphärisch seine Sensibilität für die polnische Literatur geprägt haben mag. Über den Zaun blickend, konnte der Junge auf dem Schulweg dem dortigen Treiben jedoch zugucken, was im Scherz gesagt ist, aber Tatsache bleibt, dass Andreas Lawaty nach Jahren den Iwaszkiewicz-Band Die Fräulein von Wilko (1985) für die „Polnische Bibliothek“ redaktionell betreute und im dem Dichter gewidmeten Nachwort ihn den „Europäer“ nannte, als welchen er sich selbst am liebsten apostrophiert.
Das geistige und menschliche Profil unseres Freundes Andreas Lawaty ist das eines Menschen, dem Dialog ein natürliches Bedürfnis und Empathie die Art und Weise ist, auf den anderen Menschen zuzugehen. Derlei Eigenschaften charakterisieren oft in besonderem Maße Menschen, die aus kulturellen, sprachlichen, nationalen Grenzräumen stammen. Im Vorwort zu seinem polnischen Essayband Intellektuelle Visionen und Revisionen in der Geschichte der polnisch-deutschen Beziehungen des 18. bis 21. Jahrhunderts (Kraków 2015) schreibt er denn auch, dass es wohl kein Zufall gewesen sein dürfte, dass er die Helden seiner Reflexionen „in den kulturellen Grenzräumen suchte, denen sie entweder durch ihre Herkunft, Lebenserfahrung oder aber durch ihre intellektuelle Neugier angehörten“. Und der Autor fügt bezeichnenderweise hinzu, dass er sich aber nicht so sehr für deren Biografien interessiere, sondern für den aus diesen Biografien resultierenden intellektuellen Habitus. Denn der sei „für das bessere Verständnis des Charakters der polnisch-deutschen intellektuellen Kommunikation wichtig“. Dies zu fördern und zu unterstützen liegt Andreas Lawatny, ganz im Rorty’schen Sinne, nach wie vor besonders am Herzen.
Die Autoren der vorliegenden Festschrift stammen aus Polen, Deutschland, den USA, Österreich und der Schweiz, und es befinden sich unter ihnen, alt und jung, gens de lettres verschiedenster Couleur: Lyriker, Romanciers, Übersetzer, Literaturwissenschaftler, Historiker, Archivare, was den Wirkungsradius des Jubilars und die Ausstrahlung seiner Persönlichkeit, des Grenzgängers par excellence, beredt demonstriert. Seinen Expeditionen folgen wir neugierig, sind gespannt auf unerwartete Entdeckungen, und dabei sicher, dass der Freund Andreas sein immenses Wissen aus den Grenzgängen mit der Souveränität des kundigen Forschers weitergeben wird. Dass diese Wissenssicherheit bei ihm niemals in anmaßende Überlegenheit umschlägt, hängt mit einem schönen Zug seines Wesens zusammen: Er kann immer aufmerksam und einfühlsam zuhören und bleibt einer, der das Lernen nie aufgibt. (aus dem Geleitwort der Herausgeber)
Aktualisiert: 2023-04-06
Autor:
Artur Becker,
Jochen Böhler,
Wlodzimierz Bolecki,
Jerzy W. Borejsza,
Wlodzimierz Borodziej,
Marion Brandt,
Stefan Chwin,
Róža Domascyna,
Boguslaw Dybas,
Rolf Fieguth,
Anna Frajlich,
Hans Henning Hahn,
Jozef Hen,
Jürgen Joachimsthaler,
Blazej Kazmierczak,
Ewa Kobylinska-Dehe,
Jerzy Kochanowski,
Andrzej Kopacki,
Markus Krzoska,
Ernst Josef Krzywon,
Olaf Kühl,
Burkhard Olschowsky,
Hubert Orlowsky,
Mieczyslaw Orski,
Richard Pietraß,
Daniel Pietrek,
Piotr Przybyła,
Utz Rachowski,
Krzysztof Ruchniewicz,
Martin Sabrow,
Stanislaw Salmonowicz,
Ulrich Schmid,
Izabela Surynt,
Stefan Troebst,
Dirk Uffelmann,
Zbigniew Wilkiewicz,
Krzysztof Wojciechowski,
Alois Woldan,
Pawel Zajas,
Marek Zybura
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Fremd ist der Fremde nur in der Fremde (Karl Valentin) "Mein Bruder und ich lernten recht früh, dass es sehr unangenehm werden konnte, wenn man draußen Polnisch sprach. Wurde man von mitspielenden Kindern als Fremder oder gar als Pole enttarnt, so konnte es schnell passieren, dass man als Polacke vom Spiel ausgeschlossen wurde. Wir waren also schon sehr früh auf der Hut und aufgrund unseres vorsichtigen Umgangs mit der Außenwelt erfolgte der brutale Ausschluss Gott sei Dank nicht so oft. Allerdings sind diese Erlebnisse noch immer fest in mir gespeichert und ich könnte auch heute noch die entsprechenden Sprecher und Situationen benennen. Zum Beispiel die schicke Edith aus der Ludwigstraße, die uns vom Versteckspiel ausschließen wollte, weil wir schließlich Polacken seien und man mit Polacken nicht spiele. " Dieser Roman behandelt einen großen Ausschnitt der Lebensgeschichte eines heimatlosen Ausländers mit polnischen und lettischen Wurzeln, der in der deutschen Provinz in bescheidenen Verhältnissen aufwächst. Er beschreibt seinen Werdegang vom Herkunfts- und Berufspolen zum Kosmopolen und Kosmopoliten, den Zirkelschluss vom dekretierten zum bewusst akzeptierten Status eines heimatlosen Ausländers.
Aktualisiert: 2019-01-15
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