»das thier friszt, der mensch iszt«
Zur Diachronie der lexikalischen Mensch-Tier-Grenze im Deutschen
Julia Griebel
Tiere fressen, Menschen essen: Eine lexikalische Trennung zwischen Mensch und Tier ist im Deutschen heute selbstverständlich. Sie wird bei zahlreichen Sachverhalten gezogen, die Mensch und Tier gemein sind, und meist strikt eingehalten, so etwa bei Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme (‚essen‘/‚fressen‘, ‚trinken‘/‚saufen‘, ‚stillen‘/‚säugen‘), Schwangerschaft (‚schwanger‘/‚trächtig), Geburt (‚gebären‘/‚werfen‘), Tod (‚sterben‘/‚verenden‘, ‚ermorden‘/‚schlachten‘), Lebewesenbezeichnungen (‚Säugling‘, ‚Baby‘/‚Junges‘, ‚Leiche‘/‚Kadaver‘ u. a.) und Körperteilen (‚Mund‘/‚Maul‘, ‚Lippe‘/‚Lefze‘ u. a.).
Hierbei handelt es sich um eine sprachhistorisch relativ junge Entwicklung, die vollständig erst im Neuhochdeutschen vollzogen wurde und in anderen Sprachen bis heute nicht existiert. Die Arbeit untersucht diese lexikalische Grenzziehung zwischen Mensch und Tier sprachgeschichtlich anhand von Wörterbuch- und Korpusstudien vom Althochdeutschen bis zum Gegenwartsdeutschen. Sie verfolgt die Herausbildung dieser Grenze sprachgeschichtlich und erklärt sie kulturhistorisch.