Der romanische Palas der Wartburg
Bauforschung an einer Welterbestätte
Elmar Altwasser, Ernst Badstübner, Thomas Biller, G. U. Großmann, H. Schleiff, Günter Schuchardt, H. Schwarz, G. Strickausen, W. v. Trützschler
Seit 1991 haben Wissenschaftler des Freien Instituts für Bauforschung und Dokumentation e. V. Marburg die Wartburg systematisch und analytisch vermessen. Die Baumaterialien wurden nach Art und Herkunft bestimmt, ältere Bauzeichnungen und Grafik interpretiert, frühere Baumonografien kritisch überprüft. Mitglieder der 1992 gegründeten internationalen Wartburg-Gesellschaft widmen sich immer wieder auch verschiedenen Wartburg-Themen, deren Ergebnisse hier erstmals gemeinsam und in populärer Form zusammengefasst vorgestellt werden.
Nach der Interpretation der neuesten Untersuchungsergebnisse muss man die mittelalterliche Wartburggeschichte zwar nicht gänzlich umschreiben, jedoch einige deutliche Zäsuren setzen. Die Datierungen für den beginnenden Palasbau und dessen Fertigstellung sind nach Dendrochronologie, stilkritischem Vergleich der Bauplastik und Heranziehung politischer Herrschaftsgeschichte zeitlich deutlich früher anzusetzen. Auch liefert der Band zusätzliche Erkenntnisse zur Funktion des Gebäudes und seiner einzelnen Räume.
Der Palas der Wartburg ist nach heutiger Erkenntnis der erste seines Bautyps überhaupt. Somit hätte hier innovative Architektur nicht von zentraler Gewalt, sondern von einem einzelnen hochadeligen Geschlecht ihren Ausgang genommen. Die Bauplanwechsel bestätigen den experimentellen Charakter des Geschehens auf der Burg.
Auch nach zehnjähriger intensiver Forschung darf der Wartburg-Palas noch immer als künstlerisch und architektonisch bedeutendster Bau seiner Art im deutschsprachigen Raum gelten. Ohne die Erkenntnis der Bedeutung dieses Gebäudes in der Mitte des 19. Jh., ohne seine sorgsame Erhaltung, Restaurierung und partielle Rekonstruktion bis in die Gegenwart, stünde die Wartburg sicher heute nicht als erste deutsche Feste in der Liste des Welterbes der Menschheit.