Der semantische Wandel im Werk Platons
Eulabeia, eulabes, eulabeisthai in den Platonis opera und der Appendix Platonica
Boris Hogenmüller
Die Bedeutung der Wortgruppe Eulabeia (eulabes, eulabeisthai, exeulabeisthai und dieulabeisthai) durchlief innerhalb der klassischen griechischen Literatur – beginnend im 5. Jh. v. Chr. bis in die Zeit des 1. Jh. n. Chr. – eine erkennbare Veränderung in ihrer Vielfalt und Verwendung. Während sich ursprünglich die lexikalische Semantik im eher äußerlichen Bereich der (scheuen) Vorsicht (he pros/peri to theion eulabeia) und Achtsamkeit (phülake, phülattesthai) bewegte, ist in der Literatur des 1. Jh. n. Chr. – die Werke Epiktets sind hierfür beispielhaft – eine augenscheinliche Erweiterung zu erkennen. Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere darin, dass aus der ehemals äußeren immer mehr eine innere Haltung der Furcht (phobos, phobeisthai) und religiösen Scheu (aidoos, aideisthai) wurde, um einer Gefährdung der Seele und damit einer Gefahr für deren Zustand zu entgehen. Der eigentliche Prozess der Bedeutungsverschiebung wiederum verlief nicht abrupt, sondern stetig fortschreitend und nahm wohl bereits recht früh in der griechischen Literatur seinen Anfang. Boris Hogenmüller geht der Frage nach, inwieweit das Einsetzen einer solchen Bedeutungsverschiebung bereits im 4. Jh. v. Chr. in den Werken Platons wie auch in den Schriften der Appendix Platonica erkenn- und nachweisbar ist.