Die literarische Eroberung des Alls
Literatur und Astronomie (1593–1771)
Hania Siebenpfeiffer
Am Beginn der neuzeitlichen Astronomie übernimmt die Literatur die Aufgabe, in Form literarischer Weltraumreisen das unendliche All und seine möglichen Bewohner zu erforschen.
Die literarische Weltraumreise füllte am Beginn der neuzeitlichen Wissenschaften gezielt jene Leerstellen, die die Astronomie in der Nachfolge von Kopernikus, Kepler und Galilei noch nicht schließen konnte. Sie wurde so zum Vorläufer der modernen Science-Fiction. Die technisch plausibilisierten und stets an einen ›Augenzeugen‹ gebundenen Reisen in und durch einen gleichermaßen entgrenzten wie vielfältigen Weltraum, partizipierten an den zeitgenössischen Debatten um die Ordnung des Alls, die Materialität des Kosmos, die Bewohntheit anderer Planeten und die Beschaffenheit ihrer Bewohner. Rhetorische Glaubwürdigkeit und poetische Evidenz entstanden durch die Implementierung wissenschaftlicher Erkenntnisse und die Ausrichtung des Erzählens auf die neuen Experimentalwissenschaften mit ihrem Primat der Observation und Exploration.
In enger Verschränkung von Wissensgeschichte und Gattungspoetik untersucht Hania Siebenpfeiffer diese epistemologischen und poetologischen Paradigmenwechsel im neuzeitlichen Wissen um das All. Sie erschließt dabei einen umfangreichen, vielfach unbekannten Textkorpus und gibt am Beispiel der Weltraumreisen eine Antwort auf die Frage nach den Konstitutionsbedingungen von Literatur und Wissenschaft(en) in der Frühen Neuzeit.