Die sich selbst auflösende Gesellschaft?
Verharmlosungs- und Spaltungstendenzen
Edwin Behrens, Manfred Haug
Durch die Priorisierung des kapitalistischen Systems und durch zweifelhafte politische Entscheidungen ist das Milieu der Mittelschicht in den letzten Jahren geschrumpft, sodass sich die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößerte und die soziale Ungleichheit sich potenzieren konnte. Wir erleben zunehmend ein Nichthandeln in der Politik, Verharmlosungs- und Spaltungstendenzen und ein ›Aussitzen‹ von wichtigen gesellschaftlichen Handlungsfeldern. Eine Reihe von Herausforderungen für das Gemeinwohl wurden nur marginalisiert behandelt, etwa wie Klima- und Umweltschutz, Behebung der Kinder- und Altersarmut, Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, Beseitigung der Wohnungsnot, Modernisierung des Bildungssystems, Erhöhung der äußeren und inneren Sicherheit, Sublimation des Gesundheits- und Katastrophenschutzes oder konsolidierende Maßnahmen für die Aufnahme von Migranten. Gegenüber linken, rechten und islamistischen Strömungen sowie anderen antidemokratischen Bewegungen, die ihre intoleranten und antisemitischen Haltungen ohne entschlossenen Widerstand der Allgemeinheit entfalten können, wird mit einer Bagatellisierungstendenz begegnet. Daneben verspüren wir De-Zivilisierungsprozesse, eine Entkirchlichung und Sichtweisen von fundamentalistisch-denkenden Minderheiten, die die Mehrheitsgesellschaft in ihrem Sinne ›erziehen‹ wollen. Generell wird der Frage nachgegangen: Haben wir es mit einer sich selbst auflösenden Gesellschaft zu tun?