Ein provinzialrömischer Kultplatz auf der Gradišče bei Sankt Egyden in Unterkärnten
Christoph Hinker
Die Publikation präsentiert Forschungsergebnisse, die im Rahmen der wissenschaftlichen Bearbeitung eines außergewöhnlichen archäologischen Fundplatzes bei St. Egyden in Kärnten (Österreich) erzielt werden konnten. In der auf dem Hügel Gradišče gelegenen kleinen Höhle wurde eine Ascheschicht ausgegraben, die vor allem zahlreiche Scherben römerzeitlicher Keramikgefäße mit Schlangenappliken und Tierknochen enthielt. Außerdem wurden in und vor der Höhle über 300 römische Münzen entdeckt.
Die Auswertung der Forschungsdaten ergab, dass es sich bei der Fundstelle um einen provinzialrömischen Kultplatz und bei den Funden um Überreste von Kultmahlen und Opfergaben handelt. Bei der Ausgrabung wurde weder eine Inschrift, die eine Gottheit anführt, noch ein Kultbild, das eine Gottheit darstellt, aufgefunden. Die wissenschaftliche Bearbeitung erlaubt deshalb nur eine Annäherung an die Frage, welche Gottheit hier verehrt wurde. Fundplatz und Fundspektrum stimmen sehr gut mit anderen Kulthöhlen im Römischen Reich überein, für die Inschriften und/oder Reliefs die Ausübung der Mysterien des Mithras bezeugen.
Antike Mysterienreligionen zeichnen sich durch Geheimhaltung und die Verschwiegenheit ihrer Mitglieder aus, weshalb nur wenig über ihre Kultpraxis bekannt ist. Durch die vorliegende Auswertung archäologischer Befunde und Funde konnten nun erstmals detailliertere Vorstellungen über die Zusammenkünfte einer kleinen ländlichen Kultgemeinschaft in einem Naturheiligtum im Süden der römischen Provinz Noricum entwickelt werden.