Eingriffe in die Privatsphäre durch technische Überwachung
Ein deutsch-türkischer Vergleich anhand Art. 8 EMRK
Çiler Damla Bayraktar
Der Gesetzgeber reagiert auf die neuen Gefährdungslagen – wie z. B. den Terrorismus – mit neuen Instrumenten. Er nutzt neue Möglichkeiten, den Fernmeldeverkehr weltweit zu überwachen, personenbezogene Daten zu sammeln sowie strategische Überwachungen durchzuführen. Allerdings sind diese neuen strafrechtlichen Instrumente insofern bedenklich, als es fraglich ist, ob sie mit der Verfassung zu vereinbaren sind. Die Autorin befasst sich mit diesen Eingriffsmaßnahmen, zu denen Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, Telekommunikationsüberwachung, Online-Durchsuchung und der Große Lauschangriff gehören, und untersucht deren Vereinbarkeit mit Art. 8 EMRK im Lichte der Urteile des EGMR. Der erste Abschnitt dient der Analyse von Art. 8 EMRK. Die Schutzgüter „Familienleben“, „Wohnung“, „Briefverkehr“ und „Privatleben“ werden untersucht und die Rechtfertigungsgrundlagen von möglichen Eingriffen in Art. 8 EMRK bzw. die Maßgaben „Gesetzesvorbehalt“, „Legitimes Ziel“ und „Notwendigkeit in einer demokratischen Gesellschaft“ dargestellt, um das Verhältnis zwischen den technischen Eingriffsmaßnahmen und den aufgezählten Schutzgütern des Art. 8 Abs. 1 nachvollziehen und die Rechtfertigung der jeweiligen Maßnahmen in jedem Fall gesondert überprüfen zu können. Anschließend wird im Hinblick auf die Struktur und die Einschränkungsvoraussetzungen – bzw. die Maßgaben „Gesetzesvorbehalt“ sowie „Eingriffszweck“ und „Verhältnismäßigkeit“ – ein Vergleich zwischen dem EMRK und dem deutschen und dem türkischen Grundgesetz gezogen. In einem weiteren Teil wird die Leistungsfähigkeit der präventiven und der repressiven Zwecke bei der Rechtfertigung von Eingriffen abgewogen und festgestellt, dass nach den EGMR-Urteilen die Rechtfertigungspotenziale der in Art. 8 Abs. 2 aufgezählten Zwecke unterschiedlich sind, nämlich je nach deren repressivem oder präventivem Charakter. Anschließend beschäftigt sich die Autorin mit der Willkürgefahr bei der Nichtunterscheidung zwischen Strafverfolgungszweck und Strafverhütungszweck, insbesondere wenn man „Strafverfolgung“ im Rahmen von „Verhütung von Straftaten“ kategorisiert. Im zweiten Abschnitt werden die einschlägigen Eingriffsmaßnahmen nach der deutschen und der türkischen Rechtsordnung respektive die Qualität der Eingriffe und die jeweiligen Ermächtigungsgrundlagen detailliert untersucht. Besonders im Hinblick auf die rechtlichen Anforderungen des BVerfG, des Gerichtshofs der Europäischen Union und des EGMR an diese Maßnahmen, als da wären die Forderung nach Begrenzung der Verwendung der Daten, Datensicherheit, Transparenz und Rechtsschutz, kurzum: nach Schutzvorschriften gegen Missbrauch und Willkür. Es sei besonders hervorgehoben, dass viele EGMR-Urteile aus dem Französischen in deutscher Sprache zusammengefasst sind und viele EGMR-Urteile überprüft werden, insbesondere um die richtigen Maßgaben, nämlich die rechtlichen Anforderungen des EGMR, feststellen zu können.