‚Fremd in einzelnen Dingen‘ – Fremdheit und Alterität bei Herta Müller
Sigrid Grün
„An den Orten, an denen ich bin, kann ich nicht fremd im allgemeinen sein. Auch nicht fremd in allen Dingen zugleich. Ich bin, so wie andere auch, fremd in einzelnen Dingen.“ Jeder ist irgendwo fremd – Fremdheit an sich existiert nicht. Dieser Kerngedanke zieht sich wie ein roter Faden durch das Werk Herta Müllers. Die Differenz kann als konstitutiver Bestandteil von Herta Müllers Literatur betrachtet werden. Neben existenziellen Fremdheitserfahrungen, die beispielsweise in der verfremdeten Selbstwahrnehmung des Subjekts sichtbar werden, dienen Fremdheit und Alterität allerdings auch als Strategie, um belastende Ordnungen zu sprengen und neue literarische Formen zu erkunden. Montage und Collage spielen mit den Grenzen der Wahrnehmung beim Rezipienten und zeugen von der „gebrechlichen Einrichtung der Welt“. Herta Müller lotet damit sowohl thematisch als auch formal das Potenzial von Fremdheit und Andersartigkeit aus. Sigrid Grün analysiert in ihrer Studie neben den poetologischen Voraussetzungen auch die Themenfelder Fremdheit und Sprache, Ethnozentrismus, Geschlechterordnungen, Fremdheit im totalitären Staat, Migrationserfahrungen sowie intrasubjektive Fremdheit. Hierbei stehen zunächst die überkommenen Ordnungssysteme im Mittelpunkt, die schließlich aufgebrochen werden. Verschiedene sozial- und geisteswissenschaftliche Zugangsweisen werden unter dem Gesichtspunkt der Anwendbarkeit auf die zu analysierenden Texte geprüft. Soziologische Ansätze fließen ebenso in Grüns Interpretation ein wie psychoanalytische und phänomenologische Sichtweisen.