Ihr werdet sein wie Gott.
Der Irrtum des modernen Menschen von der Französischen Revolution bis heute
Hans Graf Huyn
Der Traum des Prometheus hat das Bild des modernen Menschen bestimmt. Es ist der Mensch, der sich selbst erschaffen hat, der sich selbst verwirklicht, der autonome Mensch, dem kaum mehr Grenzen gesetzt scheinen, für den alles machbar ist. Ein Trugschluss, wie sich bei näherem Hinsehen zeigt, denn dem autonomen Menschen blieb es vorbehalten, Geistesströmungen hervorzubringen, die sich zu einer nie dagewesenen Menschenverachtung verdichten, den Menschen in die Kälte der Bindungslosigkeit und Einsamkeit stoßen.
Die Renaissance bereitete die Geburt des modernen Menschen vor. Es war ein Akt der Befreiung, der Schritt zur Selbstbestimmung und Selbstfindung. Es war dies aber auch der erste Schritt des Loslösens. Ein kleiner Schritt, aber von der gleichen Bedeutung, der gleichen Unwiderrufbarkeit wie der erste Biss in den Apfel im Paradies. „Die Welt hört auf Schöpfung zu sein und wird Natur…, der Mensch, vorher Anbetender und Dienender, wird zum Schaffenden“. (Romano Guardini)
Indem der Mensch sein Dasein als sein eigenes Werk begreift, schafft er die neuzeitliche Wissenschaft und entwickelt Techniken und Verfahrensweisen, um seine Ziele und Zwecke nach seinem Belieben zu bestimmen. Indem sich der Mensch immer bewusster aus den Bindungen an den Glauben herauslöst, trennt er sich schließlich auch von einer allgemein verpflichtenden Ethik. Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Kunst, Pädagogik bauen sich autonom aus ihrem jeweiligen Wesen auf.
Der übersteigerte Individualismus des autonomen Menschen geht Hand in Hand mit der Zerstörung der Individualität und einer fortschreitenden Leugnung der Wesenszüge der individuellen Person. Das Licht der Vernunft wandelt sich zum Irrlicht der menschenverachtenden totalitären Ideologien, deren Verwandtschaft und deren Ursprung als Ersatzreligion deutlich wird. Der autonome Mensch wollte den Glauben vom Podest stoßen, weil er darin einen Akt der Befreiung sah. Kompetente Zeitzeugen belegen mit einer Fundgrube von Zitaten die parallelen Auswirkungen der Zerstörung des Gottes- und Menschenbildes in Musik und Malerei, in Philosophie und Naturwissenschaft, in Politik und Architektur und machen die zentrale Bedeutung eben des Glaubens deutlich. Der Materialismus widerlegt sich selbst. Die Götzen stoßen sich selbst vom angemaßten Thron. Der Versuch der Abschaffung Gottes führt also gerade zu dem Beweis, dass ER der Allesbewegende ist.