J. G. Fichte und die Theologie
Elemente und Figuren einer theologischen Interpretations- und Wirkungsgeschichte von Fichtes Philosophie
Guido Ghia
Dieses Buch will die Rezeption von Fichtes Philosophie in der Theologie erforschen, und zwar um einerseits zu erkunden, was die Philosophie daraus zu lernen vermag, und um andererseits zu eruieren, welche Bedeutung Fichte für die Theologie haben konnte und noch hat. Dass es eine theologische Interpretations- und Wirkungsgeschichte von J. G. Fichtes Philosophie gibt, erscheint sicherlich auffällig und erstaunlich. Bei Fichte handelt es sich nämlich um einen Philosophen, der früh des Atheismus beschuldigt wurde. Trotzdem zeigt die vorliegende umfassende Darstellung der theologischen (sowohl evangelischen als auch katholischen) Fichte-Rezeption der letzten beiden Jahrhunderte, dass Fichtes Philosophie in der Theologiegeschichte nicht nur Kritiken und Zurückweisungen getroffen hat, sondern sogar von verschiedenen Theologen (z. B. C. Daub, Ph. C. Marheinecke, R. Rothe, E. Troeltsch, H. Scholz, R. Otto, F. Gogarten, E. Hirsch, H. U. v. Balthasar, W. Pannenberg u. a.) für die eigenen Konzeptionen fruchtbar gemacht wurde. Die Arbeit ist als eine Art Theologiegeschichte gemeint und in drei Hauptteile unterteilt. Der erste Hauptteil untersucht den Einfluss Fichtes auf die Theologie und Philosophie des 19. Jahrhunderts. Er nimmt den Atheismusstreit am Ende des 18. Jahrhunderts hinein, um sich dann der spekulativen, durch den deutschen Idealismus geprägten Theologie sowie der Vermittlungstheologie und der spekulativen Religionsphilosophie zuzuwenden. Der zweite Hauptteil erforscht die Philosophie Fichtes in einigen bedeutsamen Stationen und Figuren der Theologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Hier wird die Interpretation der Mystik Fichtes und dessen eigene Religions- und Gotteslehre ein Leitgedanke. Der dritte Hauptteil verfolgt die Spuren Fichtes in der Theologie der Gegenwart und befasst sich zuerst zentral mit der katholischen Theologie. Die transzendentale Wende der Theologie und die Diskussion um den Analogie-Gedanken sind die Themen, die nicht nur im Rahmen der katholischen Theologie, sondern auch in der neueren protestantischen Theologie Anschlussstellen zwischen einigen namhafter Theologen (H. de Lubac. H. U. v. Balthasar, K. Rahner, W. Pannenberg, E. Jüngel) und Fichtes Philosophie erlauben. Ein Anhang über die Aktualisierungsversuche des philosophischen Ansatzes in der Theologie durch H. Verweyen und F. Wagner rundet den Hauptteil ab. Das Buch stellt nicht den Anspruch, wirklich alle Aussagen der Theologie zu Fichte zu berücksichtigen, sondern trifft eine Auswahl. Indem aber diese Auswahl ein Stück Theologiegeschichte ist, erlaubt sie die theologische Rezeptionsgeschichte gleichzeitig auch als Hinführung zur Metaphysik und Religionslehre Fichtes selbst zu lesen. Insofern macht sie deutlich, dass Fichtes Gedanken über das Religiöse keine Nebensache im Rahmen seines philosophischen Systems darstellen, sondern im Gegenteil von jeder umfassenden Interpretation seiner Philosophie, die heute so gerne betont wird, beachtet werden müssen.