Justus Henning Böhmer und die Dissertationen seiner Schüler
Bausteine des Ius Ecclesiasticum Protestantium
Renate Schulze
In der Geschichte des protestantischen Kirchenrechts bedeutet das fünfbändige Ius Ecclesiasticum Protestantium des Hallenser Professors Justus Henning Böhmer (1674-1749) Grundlegung und Höhepunkt zugleich. Immer wieder rühmte man es dafür, dass es einerseits der Ordnung des Liber Extra Raimunds von Peñafort folgte, also in der Traditionslinie des katholischen Kirchenrechts blieb, andererseits aber durch gründliche historische und dogmatische Überlegungen das spezifisch Protestantische herausarbeitete. Wie jedoch verhalten sich die Dissertationen, über die Justus Henning Böhmers Schüler zwischen 1699 und 1747 disputierten, zum Ius Ecclesiasticum Protestantium? Ließ Böhmer gewisse Inhalte erst disputieren, um die Reaktion der akademischen Welt zu testen, bevor er die jeweilige Thematik für sein Hauptwerk bearbeitete? Ausgehend von den Dissertationen widmet sich Renate Schulze dem kirchenrechtlichen Werk des wohl bedeutendsten protestantischen Kirchenrechtlers des 18. Jahrhunderts. Angelpunkt vieler Diskussionen ist die Frage der Legitimation der weltlichen Aufsicht über die Kirche. Hinzu tritt die grundsätzliche Frage, was aus der katholischen kanonistischen Tradition in den protestantischen Kirchen mit Blick auf deren Bekenntnisschriften weiter Bestand haben kann. Daneben werden die Bedeutung der Dissertationen für Böhmers Werk sowie Kriterien dafür, was zu Böhmers Zeit und speziell in seinen Augen als „gute Dissertation“ gelten konnte, herausgearbeitet und ein gutes Stück Hallenser Wissenschaftsgeschichte des Kirchenrechts in der ersten Blütezeit der Universität erschlossen.