Klagenfurt
Geschichte einer Stadt am Schnittpunkt dreier Kulturen
Wilhelm Baum
Das 800jährige Klagenfurt (slowenisch Celovec) wurde in der Zeit der Reformation Hauptstadt des Herzogtums Kärnten und Sitz der Stände, die hier das Landhaus, den protestantischen Dom und das „Collegium Sapientiae et pietatis“ errichteten. Flacius Illyricus plante die Gründung einer Hochschule, aber die rigorose Durchsetzung der Gegenreformation durch den Habsburger Ferdinand II. vernichtete für lange Zeit eine neue Blütezeit. Juden, Wiedertäufer und Protestanten wurden planmäßig vertrieben, der Humanismus verdrängt, die Aufklärung verzögert, slowenische Kulturbestrebungen konnten sich erst seit der Aufklärung entfalten, als Franz Paul von Herbert den Abschluss an den Jenaer Kant-Kreis suchte. Napoleon brachte 1797 die Befreiung, aber in der Zeit des Vormärz erstarkte der Absolutismus von neuem, bis die Revolution von 1848 eine Phase der Demokratisierung einleitete. Bedeutende Literaten und Künstler wie der slowenische Dichter France Preseren, der Panslawist Matija Majar, die Maler Anton Kolig, Herbert Boeckl, Jean Egger und Maria Lassnig wirkten hier, ebenso die Dichter Christine Lavant, Max Hölzer, Ingeborg Bachmann, Thomas Bernhard, Gert Jonke, Alois Brandstetter und Josef Winkler. Die Gründung der Universität führte zu einem Aufbrechen verkrusteter Strukturen. Klagenfurt war aber auch die Stadt des Deutschnationalismus, wo Adolf Hitler begeistert empfangen wurde und der Nationalsozialismus in transformierter Form in der Sozialdemokratie und historisch-kulturellen Institutionen weiterwirkte und Slowenenfeindlichkeit salonfähig blieb – eine Stadt am Schnittpunkt dreier Kulturen, die zu einem Zentrum der Region Alpen-Adria werden könnte.
Wilhelm Baum, geb. 1948 in Düsseldorf, DDr., Univ.-Doz., Mitglied des PEN, Autor zahlreicher Bücher zur Kulturgeschichte, die auch ins Englische, Slowenische, Italienische und Spanische übersetzt wurden.