Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft
Heinrich Rickert
Ohne die Einheit der Wissenschaft infrage stellen zu wollen, unternimmt Heinrich Rickert den Versuch, die Kulturwissenschaften bzw. Geisteswissenschaften begrifflich und methodisch von den Naturwissenschaften abzugrenzen. Dem generalisierenden Verfahren der Naturwissenschaften setzt er das individualisierende der Kulturwissenschaften entgegen. Anders als die Naturwissenschaften, die mit Allgemeinbegriffen das verschiedenen Dingen und Vorgängen Gemeinsame zu erkunden suchen, seien die Kulturwissenschaften darauf ausgerichtet, das Wesentliche in der Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit ihres Erkenntnisgegenstandes zu suchen. Ihre Begriffe finden sie seiner Meinung nach, indem sie die Personen, Dinge und Ereignisse der Geschichte zu Werten in Beziehung setzen. Rickert glaubt, dass wertbezogene Erkenntnis Objektivität beanspruchen kann, sofern ein System intersubjektiver und übergeschichtlich geltender Werte den Bezug bildet. – Seine Theorie hat Rickert umfassend entwickelt in der groß angelegten Studie über „Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung“ (1896–1902, 5. Aufl. 1929). In „Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft“ gibt er eine Zusammenfassung seiner Argumentation.
Editorische Notiz:
Der vorliegende Neudruck folgt der Ausgabe: Heinrich Rickert, Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft, sechste und siebente durchgesehene und ergänzte Auflage, erschienen bei J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1926. Der Text ist neu gesetzt und typografisch modernisiert. Die Orthografie bleibt unverändert, nur offensichtliche Fehler des Setzers sind korrigiert. Die Fußnoten werden abweichend nicht seitenweise, sondern durchgehend nummeriert. Über die Seitenkonkordanz zu den Auflagen Tübingen 1926 und Berlin 2013 wird in den Kolumnentiteln informiert.