Liebe, setze über
Gedichte
Jutta Over
Der Kuss. Das Schweigen. Die Muse. Der Traum. So lauten die vier Kapitel, in denen Jutta Over uralte und doch immer wieder neue Themen auslotet. Mal werden die Texte von subtiler Erotik oder verschlüsselter Bildsprache getragen, dann wieder gibt es klare Worte und befreienden Humor.
In dem 100seitigen Bändchen findet sich eine große Bandbreite an formaler Gestaltung: Freie Verse, gelegentlich eingeflochtene Reime, Liedstrophen, Sonett, Pantum und experimentelle Verskonstruktionen.
Nicht selten kommen die Metaphern aus der Natur: „Ich lebe / in der Gezeitenzone / die Flut / kommt mit hinreißendem Gefolge / sie verschließt mir Mund und Ohren / krönt mich mit Gischt / und trägt mich auf Händen / ins Blaue.“
Auch Märchen- und Sagenmotive werden verarbeitet, etwa im „Nächtebuch“, in dem die Träume während der zwölf Rauhnächte nachzuerleben sind. Der „Musenkuss“ macht deutlich, dass der kreative Prozess des Dichtens durchaus nicht immer lustvoll sein muss: „Wenn die Muse mich küsst / mir gerädert die knappe Zeit bemisst / keines Federlesens mehr wert / …. „.
Abschließend ist ein Kapitel mit der Überschrift „Im Netz“ angefügt. Emotionen, die sich bei näherer Untersuchung lediglich in unserem Kopf abspielen, befinden sich im Grenzbereich zwischen Traum und Wirklichkeit – erst recht, wenn man sich schreibend im World Wide Web verliert: „Spinnennetz / virtuell verklebt / in dem ihr Geister / verheißungsvoll schwebt / … / Lebendfalle / erst kontrolliert / wenn der Fang / den Verstand verliert“.