Luthers Vermächtnis
Der Dreißigjährige Krieg und das moderne Verständnis vom "Staat" im Alten Reich, 1530er bis 1790er Jahre
Robert von Friedeburg
Der Begriff „Staat“ in seinem modernen Verständnis wurde im deutschsprachigen Reich nicht mit Bezug auf das frühneuzeitliche Alte Reich als Ganzes und erst recht nicht auf die Konsolidierung fürstlicher Macht über Land und Leute gemünzt. Vielmehr stand seine Genese im Zusammenhang mit den erbitterten Konflikten zwischen entstehenden Landständen und Fürsten angesichts der Verwüstungen des Dreißigjährigen Krieges. Die zeitgenössische und auf Luther zurückgehende Polemik gegen verbrecherische Fürsten aufnehmend, sollte Seckendorffs „Teutscher Fürstenstaat“ (1656) als vermeintlich bis weit ins Mittelalter zurückreichende Einheit aus Land, Leuten und Gesetzen seine Bewohner durch eigene Rechtsordnung und rechtmäßige Verwaltung (Policey) vor der Inkompetenz und Bosheit der Fürsten schützen. Seit dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts fanden diese Ideen, deren Herausbildung das Buch auf breiter Quellenbasis nachzeichnet, zunehmend auch bei vielen Fürsten und ihren Beratern in evangelischen wie katholischen deutschen Landen Anklang.
In the German-speaking Reich, the term „state“ in its modern understanding was not coined with reference to the early modern Old Reich as a whole and certainly not with the consolidation of princely power over land and people as its aim. Rather, its genesis was related to the bitter conflicts between emerging estates and princes in the face of the devastations of the Thirty Years‘ War. Taking up the contemporary polemics against criminal princes dating back to Luther, Seckendorff’s „Teutscher Fürstenstaat“ (1656) was supposed to protect its inhabitants from the incompetence and wickedness of the princes by means of their own legal system and lawful administration (Policey) as a unit of land, people and laws that allegedly reached far back into the Middle Ages. Since the last third of the 17th century these ideas, the development of which the book traces on a broad source basis, have increasingly found favour with many princes and their advisors in Protestant and Catholic German countries.